Text: Kerstin Niemann Foto: www.Slawik.com
Die zweite wesentliche Gleichgewichtsrichtung des Pferdes ist die von rechts nach links und umgekehrt (lateral). Nur wenn das Pferd die Balance auf gebogenen Linien halten kann, werden Ecken, Wendungen, Seitengänge – und am Ende auch das Geradeausreiten – zum Kinderspiel
Wie gerade bleibt die Kruppe?
Betrachtet man ein trabendes Pferd von hinten, lassen sich leicht Rückschlüsse darauf ziehen, wie ausbalanciert das Pferd ist. Wenn man sehen kann, wie die Kruppe sich abwechselnd rechts und links sichtbar hebt und senkt, kann man davon ausgehen, dass das Pferd sein Gleichgewicht noch nicht ausreichend gefunden hat. Stattdessen weicht es aus und „fällt“ ein bisschen von einer Seite zur anderen. Bei sehr weit ausgebildeten Pferden kann man von hinten sehen, dass das Heben der Kruppe von rechts nach links nur noch sehr wenig zu erkennen ist. Das Pferd bleibt also in der Hüfte/Kruppe stabil und kann seine Hinterbeine aus der gut ausgebildeten Muskulatur und den großen Gelenken heraus auf- und abfußen lassen.
Wohin spuren die Hinterhufe?
Zu Beginn der Ausbildung fußt das Pferd mit den Hinterbeinen noch geradeaus – und damit immer ein kleines bisschen an der Spur der schmaler fußenden Vorderhufe vorbei – denn die Kruppe des Pferdes ist bekanntlich breiter als die Schulter. Ziel der Ausbildung ist es, dass das Pferd sein Gleichgewicht mehr und mehr auf die schiebende und tragende Hinterhand verlagert. Dazu versucht der Reiter, das Pferd zum leicht diagonalen Vorfußen der Hinterbeine in Richtung Körpermitte zu bewegen, z. B. durch das Reiten vieler gebogener Linien, Schultervor und Seitengänge.
„Fällt“ das Pferd auf die Vorhand?
Pferde, deren vertikales Gleichgewicht noch nicht gut ausgebildet ist, „fallen“ besonders im Trab von einer Schulter auf die andere. Von vorne betrachtet, kann man sehen, dass sie leicht schwankend traben. Häufig geht damit einher, dass von Leichtfüßigkeit keine Spur ist – man hört das Auffußen laut, der Boden „bebt“ sozusagen. Je besser ein Pferd in der Balance ist, desto leichtfüßiger werden seine Bewegungen.
Verwirft sich das Pferd?
Verwerfen ist ein untrügliches Anzeichen, dass Pferd und Reiter am lateralen Gleichgewicht noch arbeiten müssen. Häufig kann man beobachten, dass ein Pferd auf größeren gebogenen Linien bereits gerade im Genick bleibt, aber in engeren Wendungen oder in flachen Traversalen wieder zum Verwerfen neigt. Je enger die Linie (und je höher das gewählte Tempo!), desto größer die Gefahr, dass das Pferd aus dem lateralen Gleichgewicht gerät.
Nur das geradegerichtete Pferd kann ins Gleichgewicht kommen!
Ein ganz wesentliches Element des vertikalen Gleichgewichts ist die Geraderichtung des Pferdes. Das heißt, das Pferd soll sich im Idealfall in seiner Längsachse der gerittenen Linie anpassen. Beim Durchreiten einer Ecke zum Beispiel soll sich das Pferd vom Genick über den Hals, Widerrist und Rücken bis hin zur Kruppe zu einer Seite „krümmen“ – und zwar immer nur so viel, wie es die am schlechtesten zu krümmende Stelle leisten kann. Und das ist der Lendenbereich. Häufig wird das Pferd im Hals zu stark gestellt, und damit ist es in der gesamten verbleibenden Längsachse schon aus dem Gleichgewicht!
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Mein Pferd 2/24.