Text: Alexandra Koch      Foto: www.Slawik.com

Selbst wenn die Haltung in der Gruppe letztendlich als in höchstem Maße artgerecht eingestuft wird, kann es insbesondere beim Fressen für rangniedere Tiere zu Stresssituationen kommen

„Generell kann man sich merken, dass das Pferd in der freien Wildbahn strukturreiches Futter ausschließlich vom Boden aus aufnimmt“, erläutert FN-Tierärztin Dr. Enrica Zumnorde-Mertens. „Daher entspricht die bodennahe Fütterung am ehesten der natürlichen Fresshaltung. In der Praxis bedeutet dies, dass, wo immer möglich, den Pferden das Raufutter vom Boden aus angeboten werden sollte“, so die erfahrene Medizinerin.

Allen, die genauer nachlesen möchten, rät sie: „Viele gute Informationen zur artgerechten und damit auch stressfreien Fütterung finden sich in den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (Leitlinien Pferdehaltung).“

Raufen und Tröge

„Sind Heuraufen erforderlich, müssen bei den Raufen zwingend die Maße und Abmessungen aus den ,BMEL Leitlinien Pferdehaltung‘ eingehalten werden“, erläutert Dr. Zumnorde-Mertens. „Andernfalls drohen möglicherweise böse Verletzungen durch Einfädeln oder Hängenbleiben des Pferdes. Beim Einsatz von Heuraufen in der Gruppenhaltung muss zudem eine ausreichend große Zahl an Fressplätzen zur Verfügung stehen, sodass auch rangniedere Tiere beim Fressen nicht abgedrängt werden.“

Für die Gruppenhaltung sind auch zeitgesteuerte Raufen bzw. der Zugang per Chip eine Empfehlung. Letztere Form hat allerdings den Nachteil, dass die Pferde hier in der Regel nicht zeitgleich fressen können. Dies widerspricht dem natürlichen Verhalten. Der Stababstand von Senkrechtstäben für Raufen, bei denen der Pferdekopf nicht hindurchpassen soll, darf höchstens fünf Zentimeter betragen. Über Widerristhöhe angebrachte Hochraufen sind ungeeignet. Bei Durchfressgittern muss der Abstand der Senkrechtstäbe bei ausgewachsenen Pferden mindestens 30 bis 35 Zentimeter betragen.

„Ist neben der ausreichenden Versorgung mit Raufutter auch die Gabe von Krippenfutter erforderlich, gilt für die Höhe des Troges nach den „Leitlinien Pferdehaltung“ folgendes Maß: Empfohlene Höhe der Fressebene ≤ 0,3 x Widerristhöhe (Wh). Maximal darf sie 0,4 x Wh betragen“, berichtet Dr. Zumnorde-Mertens. „Wenn man sich diesen Wert einmal vor Augen führt, hängen vielerorts die Tröge deutlich zu hoch. Jedoch berichten Praktiker, dass bei niedrig hängenden Trögen Verletzungsgefahren bestehen, und das vermehrte Risiko des Hineinäppelns droht. Daher gilt es meines Erachtens, ein gutes Mittelmaß für die Höhe des Troges zu finden. Ziel dabei bleibt immer: möglichst nah an der natürlichen Fresshaltung. Wichtig ist auch, dass der Trog so angebracht wird, dass beispielsweise der futterneidische Boxennachbar beim Fressen nicht stören kann.“

Bei der Verwendung von Heunetzen gilt es ebenfalls, Nutzen und Risiko abzuwägen. „Man sollte sich fragen: Braucht mein Pferd das Heunetz wirklich, oder geht es doch ohne Heunetz?“, erklärt Dr. Zumnorde-Mertens. Nötig werden können engmaschige Heunetze beispielsweise bei sehr leichtfuttrigen Tieren. „Wenn beispielsweise aufgrund der Neigung zu Übergewicht eine Heugabe zur freien Verfügung nicht möglich ist, sollte versucht werden, über engmaschige Heunetze oder andere Vorrichtungen, die die Fressgeschwindigkeit reduzieren, eine verlängerte Futteraufnahmedauer zu erreichen“, fügt Prof. Dr. Manfred Coenen hinzu. „Wenn die Antwort in Richtung Heunetz positiv ausfällt, sollte man ein paar Punkte beachten“, so Dr. Zumnorde-Mertens. „Die Maschenweite muss so gewählt werden, dass das Pferd möglichst nicht hängenbleiben kann; in der Praxis haben sich vier bis sechs Zentimeter Maschenweite bewährt. Für unbeschlagene Pferde werden Heunetze in der Regel so montiert, dass die Unterkante im leeren Zustand ca. zehn Zentimeter über dem Boden hängt. Bei beschlagenen Pferden sollten die Netze nach Abwägen aller Vor- und Nachteile und Gefahren höher montiert werden. Die Anbringung des Heunetzes sollte an einem stabilen Rahmen an mindestens zwei Punkten erfolgen, um ein Pendeln beim Fressen zu verhindern“, erklärt die Expertin. Häufig können also auch handwerkliche Maßnahmen dazu beitragen, dass die Aufnahme von Futter weniger Stress mit sich bringt. Letztendlich ist nicht nur ein Faktor entscheidend. Für den Pferdehalter gilt es, immer wieder abzuwägen, ob die Darreichung des Futters für seine Tiere ohne Stress abläuft, und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Hierfür kann es sinnvoll sein, Tierärzte – insbesondere bei einer bereits bestehenden Problematik – zu konsultieren und ihre Ratschläge auszuprobieren.

Problematik Magengeschwür

Stressbedingt kommt es immer wieder zu Problemen im Bereich des Magens, die schlimmstenfalls in Magengeschwüren enden. Als Vorerkrankung zu einem Magengeschwür tritt häufig eine Magenschleimhautentzündung auf.

Auch der übermäßige Einsatz von Kraftfutter kann für Pferde durch eine überbeanspruchte Verdauung Stress verursachen. Insbesondere „verstecktes“ Kraftfutter in Form von Müsli kann zu Magengeschwüren führen. Ein Grund mehr also, die notwendige Menge des Kraftfutters genau zu ermitteln. Dabei sollte das Motto stets lauten: „So viel wie nötig, aber mit Bedacht“. „Sehr viele Pferde, Sport-, aber auch Freizeitpferde leiden unerkannt unter Magenproblemen wie Entzündungen, Reizungen oder Geschwüren. Die Symptome können relativ subtil und auch unspezifisch sein“, erläutert Prof. Coenen. „Dazu gehören vermehrtes Gähnen, Lecken, gehäuftes oder selteneres Hinlegen, Unwillen beim Satteln bzw. Gurtanziehen sowie Zähneknirschen. Also nicht unbedingt Anzeichen, die man sofort mit einer Erkrankung in Verbindung bringen würde. Derartige Krankheiten sind daher nicht immer leicht zu erkennen oder eindeutig zuzuordnen.“ Er empfiehlt beim Verdacht auf Magenprobleme, das Haltungs- und Fütterungsmanagement sorgfältig auf mögliche Stressoren zu untersuchen und diese, wenn irgend möglich, abzustellen. „Häufig ist nach außen gar nicht sofort zu erkennen, dass das Pferd gestresst ist“, berichtet er. „Die Möglichkeiten dafür sind jedoch schier unbegrenzt: neue Boxennachbarn oder veränderte Trainingsbedingungen, der Beginn der Turniersaison oder auch andere Fütterungszeiten. Eine Therapie der Magenprobleme ist zwar die „Sofortlösung“. Allerdings kann und sollte eine medikamentöse Therapie oder auch eine Therapie mit Ergänzungsfuttermitteln für die Magengesundheit immer nur eine vorübergehende Lösung sein, unter der die Magenprobleme abheilen können, sie sollten aber keine ,Krücke‘ für unzureichende Haltungs- oder Fütterungsbedingungen darstellen.“

Weitere Informationen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!