Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
Die gesamte Ausbildung baut auf der Losgelassenheit des Pferdes auf. Sie ist Voraussetzung für jede Trainingseinheit. Der Weg dorthin ist jedoch von Pferd zu Pferd unterschiedlich. Nur mit Gefühl und Know-how gelingt es, das Pferd individuell zu fördern und dabei Körper und Psyche im Gleichgewicht zu halten
Mein Auto ist kaputt. Brötchen esse ich lieber als Brot. Heute will ich duschen. Der Kaffee war zu kalt. Wer jetzt ein großes Fragezeichen im Kopf hat, weiß, dass hier etwas Entscheidendes fehlt – nämlich der sprichwörtliche „rote Faden“. Etymologisch betrachtet, handelt es sich nämlich bei einem Text um ein Gewebe, das nur zusammengehalten wird, wenn zwei Ebenen berücksichtigt werden: die inhaltliche und die formale. Die obigen Sätze folgen zwar den Regeln der deutschen Grammatik, ergeben aber überhaupt keinen Sinn. Zurück bleibt ein merkwürdiges Gefühl.
Wichtige Verbindung
Ähnlich ist es in der Ausbildung des Pferdes. Hier ist der rote Faden die Losgelassenheit. Es gibt sie in verschiedenen Abstufungen. Nie ist sie als ein absoluter Zustand zu verstehen, immer aber stellt die Losgelassenheit die innere und äußere Verbindung zum Pferd dar, unabhängig vom Pferdetyp, Alter oder Ausbildungsstand. „Der Grad kann sich während einer Arbeitseinheit in Sekundenbruchteilen ändern. Eben noch lief das Pferd schwingend, und harmonisch, und dann ist es plötzlich durch ein Geräusch abgelenkt und verliert seine Losgelassenheit. Doch nur wenn es sich wirklich loslässt, bewegt es sich gesunderhaltend unter dem Reiter. Deshalb sollten wir nie müde werden, sie jeden Tag aufs Neue zu erarbeiten“, sagt die Ausbilderin Katharina Möller, die gemeinsam mit Claudia Weingand ein Ausbildungszentrum in Dischingen (Baden-Württemberg) betreibt.
Die Expertin verweist auf eine treffende Beschreibung in den „Richtlinien für Reiten und Fahren“, Band 1. Dort heißt es: „Losgelassenheit ist die Voraussetzung für jede einzelne Ausbildungseinheit, weil sie die entscheidende Grundlage der Lern- und Leistungsbereitschaft sowie der optimalen Leistungsfähigkeit ist. Sie ist deshalb ein besonders wichtiges Ziel in der Lösungsphase und in der gesamten Ausbildung des Pferdes.“ Dabei wird zwischen innerer und äußerer Losgelassenheit unterschieden, die jedoch wie ein Geflecht eng miteinander verwoben sind.
Anzeichen erkennen
Ein wichtiges äußeres Merkmal ist das regelmäßige An- und Entspannen der Muskulatur. Alle Muskeln des Körpers arbeiten unverkrampft an den ausführenden Bewegungen mit. „Bei einem losgelassenen Pferd ist die Muskulatur dehnungsfähiger und leistungsfähiger, die Gelenke sind beugefähiger und ein Durchschwingen bzw. Durchspringen der Hinterbeine ist besser möglich“, halten die Autoren der Richtlinien fest. Dadurch wird das Pferd in die Lage versetzt, sich zwanglos, taktrein, raumgreifend und federnd vorwärtszubewegen. Der Reiter im Sattel spürt, dass die Bewegungen über den elastisch schwingenden Rücken durch den Körper hindurchfließen. Er kann deshalb den Pferdebewegungen mühelos mit seinem Sitz folgen. Der Vierbeiner ist gehfreudig, ohne im Bewegungsablauf eilig zu werden. Der Reiter nimmt nur leises Auffußen war. „Es fühlt sich im Sattel sportlich, aber nicht angestrengt an, so, als ob man ewig weiterreiten könnte“, fügt Möller an. Und tatsächlich läuft ein losgelassenes Pferd deutlich ermüdungs- und physiologisch verschleißfreier als ein nicht losgelassenes.
Den kompletten Text finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.