Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Wenn im Frühling die ersten Gräser sprießen, rückt die Weidezeit immer näher. Nicht alle Ställe bieten eine 24-Stunden-Weidehaltung an und diese ist auch nicht für jeden Vierbeiner das optimale Konzept.
So manches Pferd macht beim Longieren seinem Übermut deutlich Luft, und in den Ecken der Reithalle sitzen plötzlich Gespenster: In der kalten Jahreszeit ist der fehlende Weidegang deutlich zu spüren, und für viele Pferdebesitzer beginnt jetzt eine Zeit, in der sie einiges umorganisieren müssen. So bieten nicht alle Reitställe einen Paddockservice oder überhaupt einen Winterauslauf an. Zudem ersetzt dieser den Weidegang nicht. In der freien Wildbahn bewegen sich Pferde viele Stunden am Tag grasend im Schritt vorwärts. Auf dem Paddock stehen sie häufig einfach nur herum, und mit Glück haben sie etwas Heu zur Verfügung, an dem sie knabbern können. „Schon wenige Wochen nach Ende der Weidezeit merke ich bei meinen Pferden einen deutlichen Unterschied“, sagt Johanna, die zwei Warmblüter besitzt. „Sie sind unausgeglichener und neigen dazu, sich schneller zu erschrecken, obwohl ich sie jeden Tag bewege und für Abwechslung sorge.“
Jedes Pferd ist anders
Laurentius und Bellamo, so heißen Johannas Wallache, sind sowohl in der Dressur als auch im Springen bis zur Klasse M beziehungsweise L ausgebildet. Dennoch werden sie nicht in Watte gepackt, sondern genießen ihre Weidezeit in einer Gruppe von bis zu sechs anderen Wallachen auf einer großen Weidefläche. „Sie sind beide zum Glück sozial verträglich und kennen es von Fohlen auf, mit anderen Pferden zusammenzustehen“, erzählt Johanna. Bei ihrer vorherigen Stute Blue Flower (kurz: Blue) war das anders: „Sie kam aus einem Verkaufsstall, in dem sie nur ab und zu mal alleine auf eine kleine Grasfläche durfte. Sozialkontakte zu schließen und sich in eine Gruppe zu integrieren fiel ihr unglaublich schwer.“ Mehrere Versuche, sie mit anderen Pferden zusammenzustellen, schlugen fehl. Das Verletzungsrisiko war viel zu hoch. Erst nach rund zwei Jahren bei ihrer neuen Besitzerin freundete sie sich schließlich mit ihrer Boxennachbarin an und musste von da an auch im Freilauf keine Einzelhaft mehr verbüßen. Auf der Weide blühte Blue immer mehr auf und begann, auch auf die Pferde auf den angrenzenden Wiesen zuzugehen und über den Zaun Kontakt aufzunehmen. Für Johanna war das ein enormer Fortschritt: „Ich war richtig stolz auf Blue, dass sie Schritt für Schritt ihr Misstrauen verlor und sich ihr Sozialverhalten veränderte.“ Anfangs konnte die Stute nur ein bis zwei Stunden auf der Weide stehen, dann wurde sie unruhig und fing an zu rennen. Mit der Zeit gelang es ihr, immer mehr draußen an der frischen Luft ihre Unruhe herunterzufahren und entspannt zu grasen.
Zeit, Geduld und Planung
Wenn es um das Thema Weide geht, gibt es unter Pferde- und Stallbesitzern ganz unterschiedliche Meinungen. Die einen schwören auf eine 24-Stunden-Weidehaltung oder auf große Gruppen, während andere die Weidezeit begrenzen und auch nur wenige Pferde zusammenstellen. Es gibt keine Universallösung, die für jeden Vierbeiner gilt. So kann nicht jedes Pferd in jede Gruppe integriert werden. Wer Hals über Kopf versucht, ein Pferd unbedingt und möglichst schnell zu anderen fremden Vierbeinern auf die Weide zu stellen, riskiert Verletzungen. Vor allem, wenn nicht ausreichend Weidefläche vorhanden ist und die Pferde auf zu engem Raum stehen. Zudem können Faktoren wie das Equine Metabolische Syndrom (EMS), Hufrehe oder Übergewicht die Weidezeit begrenzen. Es gilt also immer, eine passende Lösung für das jeweilige Pferd zu finden. Dabei sollten auch (wenn bekannt) frühere Erfahrungen beachtet werden. „Blue wurde einmal in einer Stutenherde getreten, was sie nachhaltig geprägt hat“, erinnert sich Johanna. Zu diesem Zeitpunkt stand sie noch in dem Verkaufsstall und kam von da an nur noch alleine auf die Weide.
Den gesamten Artikel finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.