Text: Dominique Wehrmann       Foto: Jacques Toffi

Eine der effektivsten und dennoch wohl am meisten unterschätzten Trainingsmethoden ist die Pause zum rechten Zeitpunkt. Denn sie wirkt sich gleich dreifach positiv aufs Pferd aus

Neben der Erholung haben Pausen noch einen weiteren positiven Effekt: Das Pferd nimmt sie wie ein Lob wahr. Gute Ausbilder wissen das für sich zu nutzen. Nicht umsonst heißt es, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Beispiel Rückwärtsrichten: Tritt das Pferd willig zurück, wird dann gelobt und darf sich entspannen, speichert es ab, dass es nicht mehr weiter rückwärts gehen muss, wenn es dem Wunsch des Reiters Folge geleistet hat. Das nächste Mal wird es sehr wahrscheinlich sofort rückwärts treten, sobald es aufgefordert wird. Das Prinzip „Druck – weichen – Druck wegnehmen“ ist das effektivste Mittel, um Tieren – nicht nur Pferden – etwas beizubringen. Denn eines muss man sich als Reiter vor Augen halten: Für Reiter gibt es viele Anreize, morgens aufzustehen und sich anzustrengen: Preisgelder, Medaillen etc. Für Pferde gibt es erst einmal keinen Anreiz, mit uns Menschen zu kooperieren. Aber sie tun es gerne und willig, wenn sie merken, sie haben etwas davon – zum Beispiel Entspannung und Lob. Wie Alois Pollman-Schweckhorst sagt: „Pferde denken nicht wie wir. Im Grunde ist es ihnen egal, ob sie Erster oder Letzter werden. Der Reiter muss sein Pferd also zum Mitmachen motivieren!“ Dafür gibt es nur einen Weg, der auf Dauer zum Erfolg führt: Belohnung. Sich anzustrengen muss sich rentieren. Und eine Pause im rechten Moment ist eine sehr große Belohnung. „Das ist als Anreiz alternativlos“, so Pollmann-Schweckhorst.

Die Art, wie Pferde lernen, verlangt aber auch Sensibilität und vorausschauendes Handeln, denn wie Reitmeister Balkenhol sagt: „Die Entscheidung, wann Pause gemacht wird, darf der Reiter nicht dem Pferd überlassen! Er muss das Pferd lesen können und aufhören, ehe das Pferd sich widersetzt. Der Ausbilder muss die Sprache des Pferdes verstehen.“ Schließlich soll es merken, dass sein Leben angenehmer wird, wenn es mit dem Menschen zusammenarbeitet. Darum: lieber zu früh als zu spät einen Gang zurückschalten! Es wird dennoch Situationen geben, in denen man diesen Moment verpasst. Dann ist es besser, auch mal fünfe gerade sein zu lassen, statt sich auf einen Kampf einzulassen. Eine Pause zu machen, wenn man sich an einem Problem „festgebissen“ hat, hat nichts mit aufgeben zu tun, sondern damit, auf den Partner Pferd einzugehen. „Pferde merken nur, dass es gerade unangenehm wird. Wenn ich dann immer weiter mache, baue ich immer härtere Fronten auf, statt die Situation aufzulösen“, weiß Alois Pollmann-Schweckhorst aus Erfahrung.

Erholung – aber wie?

Bei älteren Pferden gilt im Stall Balkenhol die Faustregel: spätestens alle 15 Minuten Erholungszeit einplanen. Klaus Balkenhol findet übrigens, dass die Erfindung des Handys für die Pferde ein Segen sein kann: „Da klingelt plötzlich das Telefon, der Reiter hält an, das Pferd hat Pause, und danach geht plötzlich alles viel besser.“ Trotzdem gehört das Handy eigentlich nicht aufs Pferd!

Gerade Remonten, die auch noch lernen müssen, einen Reiter auf ihrem Rücken auszubalancieren, ermüden schnell. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Darum muss man bei ihnen besonders gut aufpassen, ihnen rechtzeitig Erholung zu gönnen. Wie häufig das ist, hängt vor allem vom Temperament des Pferdes ab. Von Hause aus gehfreudige Pferde haben es leichter. Sie können schon länger am Stück traben und galoppieren. Pferde, die nicht so gehlustig sind, brauchen hingegen öfter eine Pause. 
Schrittpausen dienen grundsätzlich der Erholung. Doch um mit einem älteren Pferd die Lösungsphase abzuschließen und die Arbeitsphase einzuleiten, kann es sehr sinnvoll sein, es Schenkelweichen zu lassen oder Kurzkehrt zu reiten, um die Versammlung einzuleiten. Aber immer darauf achten, dass die Pferde anschließend wieder frei schreitend Schritt gehen und sich ans Gebiss herandehnen! Wenn man neue Lektionen übt oder besonders intensiv mit dem Pferd arbeitet, sollte eine Schrittpause allerdings eher nicht genutzt werden, um andere Lektionen zu reiten. Dann bedeutet Schritt Erholung für Körper und Geist und eine Belohnung für die geleisteten Anstrengungen. Ein weiterer positiver Effekt: An der Universität Göttingen konnte man inzwischen wissenschaftlich nachweisen, dass Schrittpausen dafür sorgen, dass sich Erlerntes setzt und festigt.

Springausbilder Alois Pollmann-Schweckhorst sagt, in der Lösungsphase, wenn die Pferde körperlich und mental auf die kommenden Aufgaben vorbereitet werden sollen, sei es nicht nötig, aber wenn es an die kräftezehrende Versammlungsarbeit geht und die Pferde sich anstrengen müssen, sollte der Reiter nach ca. zehn Minuten eine Schrittpause einlegen. „Die Lösungsphase soll für das Pferd möglichst angenehm sein“, erklärt er. „Ich lasse dabei die Zügel aus der Hand kauen. Die Nase darf ruhig den Boden berühren“, so „Alo“. Allerdings sollte die Pause auch nicht zu lang sein. Eine Runde Schritt reiche aus, betont Pollmann-Schweckhorst: „Bei einer Pause, die länger als fünf Minuten dauert, fange ich sonst wieder bei null an.“

Jedoch wehrt sich der Springprofi gegen Pauschalisierungen. „Es gibt keine allgemeingültigen Gebrauchsanweisungen. Pferde sind Individuen. Zu lernen, sie zu verstehen, jedes einzelne von ihnen lesen zu können, das ist unsere wichtigste Aufgabe als Reiter. Wichtiger als alles Technische! Die Persönlichkeit eines Pferdes muss nicht ,geknackt‘, sondern verstanden werden!“ Was er damit meint: Manche Pferde brauchen Herausforderungen, anderen muss man Sicherheit geben, ihr Selbstbewusstsein stärken. Manchmal muss man etwas Druck machen bzw. Grenzen setzen, sei es nun unter dem Sattel oder im Umgang. Aber man muss eben auch wissen, wann es Zeit ist, den Druck herauszunehmen. Das gilt für jede einzelne Trainingsstunde wie auch für die Planung über die gesamte Saison. Der Reiter muss ein Gespür dafür entwickeln, was sein Pferd gerade braucht. Pollmann-Schweckhorst ist sicher: Jedes Pferd ist bereit, seinem Reiter alles zu geben, wenn man es nur zu nehmen weiß. Es geht darum, die Pferde „abzuholen“.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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