Text: Aline Müller         Foto: www.Slawik.com

Viele Reiter sehen ihr Pferd als Partner oder Freund an. Eine gewisse Vermenschlichung ist normal. Wenn diese allerdings bestimmte Grenzen überschreitet, ist das für die betroffenen Tiere nicht mehr gesund. So erkennen Sie, ob in Ihrer Beziehung zu Ihrem Pferd alles richtig läuft

Als ich die ersten Reitstunden nehmen durfte, hatte ich bald ein Lieblingspony, bei dem ich stundenlang in der Box sitzen konnte. Für mich war klar, dass wir Freunde sind und ich ihm alles erzählen konnte. Ein paar Jahre später machten wir in den Reiterferien ein Wettrennen über eine Wiese. Ich lehnte mich im leichten Sitz in Richtung Ohren meines Ponys und flüsterte ihm zu, dass wir gewinnen müssen. Wir kamen als erstes Paar ins Ziel, und ich hatte keine Zweifel, dass mein vierbeiniger Kumpel mich genau verstanden hatte. Dass eine Freundschaft zwischen Menschen und Tieren entsteht, ist nicht ungewöhnlich. Schließlich sind die Zeiten vorbei, in denen Pferde oder Hunde vor allem als Nutz- beziehungsweise Arbeitstiere gehalten wurden. Wir Menschen bauen eine Bindung zu unseren Vierbeinern auf. Diese erleichtert die Kommunikation, stärkt die Beziehung und führt zu einem besonderen Miteinander.

Listig, diebisch oder brav

Würde ich mein eigenes junges Ich heute fragen können, ob mein Pony damals meine Sprache verstanden und gesprochen hat, wäre die Antwort ganz klar „Ja“ gewesen. Heute sehe ich das Ganze differenzierter, und mir ist klar, dass Menschen und Pferde auf unterschiedliche Art und Weise kommunizieren. Dennoch ist ein gegenseitiges Verständnis ohne Worte möglich. Gleichzeitig möchte ich verstehen, woher das Vermenschlichen von Tieren kommt. Das Phänomen, dass wir Tieren oder aber Objekten menschliche Eigenschaften zuschreiben, wird als Anthropomorphismus bezeichnet. In den Medien wird die Vermenschlichung gezielt genutzt, um uns anzusprechen, eine Bindung aufzubauen, Sachverhalte einfach zu vermitteln oder um einfach für mehr Leichtigkeit und Humor zu sorgen. Denken Sie an (Zeichentrick-) Filme oder Serien für Kinder: Sprechende Tiere oder Autos sind hier keine Seltenheit. Anthropomorph dargestellte Tiere haben dabei auch Gefühle wie Menschen. Sie weinen, wenn sie traurig sind, oder lachen, wenn sie fröhlich sind.

In unseren Köpfen bilden wir uns über gewisse Tiere zudem sehr früh eine Meinung: Der Fuchs gilt als klug und manchmal als listig, die Elster als diebisch und das Lamm als besonders brav. Ob Biene Maja, Benjamin Blümchen oder die Sendung mit der Maus – Tiere erklären Kindern die Welt und scheinen das sogar besser zu können als so manche Menschen. Das lässt auch vermuten, dass es Kindern besonders leichtfällt, von vermenschlichten Tieren zu lernen. Vielleicht ist es das Gefühl einer besonderen Freundschaft in Kombination mit einem gewissen Abstand zur Realität.

Chancen und Gefahren

Auch in Tierdokumentationen wird die anthropomorphisierende Erzählweise gezielt genutzt, um Nähe herzustellen. Ein gutes Beispiel dafür ist die fünfteilige BBC-Dokumentation „Wilde Dynastien – Die Clans der Tiere“ in der der Schimpanse David, die Löwin Charm und die Tigerin Raj Bera um ihr Überleben kämpfen und ihren Nachwuchs beschützen. Der Erzähler spricht den Wildtieren dabei menschliche Eigenschaften zu und haucht ihnen so eine Seele mit seiner persönlichen Note ein. Fraglich ist, ob seine Interpretation immer die richtige ist. Mit dem Vorwurf des Anthropomorphismus musste sich schon Jane Goodall auseinandersetzen. Die berühmte Primatenforscherin verbrachte ihr Leben mit den Schimpansen und gab ihnen Namen, anstatt sie zu nummerieren. Dass sie eine gewisse Bindung zu den Affen aufbaute, warfen ihr andere Wissenschaftler vor. Viele Menschen neigen dazu, menschliche Eigenschaften auf andere Lebewesen oder Objekte zu projizieren. Wir sprechen mit Cloud-basierten Sprachservicegeräten wie Alexa, und es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis menschenähnliche Roboter unseren Alltag erleichtern.

Den kompletten Artikel finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.

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