Text: Inga Dora Schwarzer       Foto: www.Slawik.com

Warum kann ein Pferd abrupt bremsen und blitzschnell wenden? Wie beeinflusst das Reitergewicht die Vorhand? Und was bedeutet es, wenn es sich aktiv tragen soll? Alle diese Fragen und noch mehr Interessantes über die Vorhand erläutert Pferdephysiotherapeutin und -osteopathin Diana Landskron

Der Motor des Pferdes sitzt hinten. Diesen Satz kennt jeder Reiter. Nicht verwunderlich, dass der Schwerpunkt im Training daher vielfach auf der Hinterhand liegt. Doch die Vorhand hat mindestens einen genauso großen Anteil an der Leistungsfähigkeit des vierbeinigen Sportpartners. Zeit, sie aus ihrem Schattendasein zu befreien und in den Fokus zu stellen.

Ohne Schlüsselbein

Die Vorhand lässt sich in zwei Teile einteilen: die Vorderbeine und den Rumpf. Die Vorderbeine sind mit knöchernen Anteilen vom Schulterblatt bis herunter zum Huf verbunden und in ein Sehnen-, Bänder- und Muskelsystem eingebettet. Sie haben keine direkte Knochenverbindung zum Rumpf. „Den Pferden fehlt das Schlüsselbein, das bei uns Menschen die Rumpf-Gliedmaßen- Verbindung darstellt. Bei ihnen hält nur die Muskulatur die Vorhand zusammen“, sagt Diana Landskron, Pferdephysiotherapeutin, -osteopathin und -chiropraktikerin aus Görlitz (Sachsen). Aufgrund der fehlenden Knochenverbindung übernehmen die Muskeln eine tragende Rolle in der Vorhand. „Die passive Stehvorrichtung der Vorderbeine wird unter anderem durch die Sehne des Bizepsmuskels gewährleistet, der am unteren Ende des Schulterblattknochens ansetzt, vorne das Buggelenk umspannt, nach unten in den Ober- und Unterarm sowie in die Streckmuskeln einstrahlt“, so die Expertin weiter. Wenn das Pferd steht, döst oder bodennah frisst, kann es dies ökonomisch und ohne eine große Muskelanstrengung tun, auch wenn es damit seine Vorderbeine belastet. Bei einer tiefen Kopf-Hals-Position mit der Nase auf Karpalgelenkshöhe sacken Widerrist, Brustbein und Brustkorb im Stand nach unten ab. Das zeigen Ergebnisse einer Studie, welche die Expertin im März 2022 durchgeführt hat. „Stützen Sie sich mit den Ellbogen auf den Tisch ab und lassen Sie die Rückenmuskulatur hängen, dann bekommen Sie ein Gefühl für diese Entspannung in einer Art Hängematte“, rät die Expertin.

Aufbau des Rumpfes

Wie ein Schiffsbug hängt dabei der Rumpf zwischen den Schultergliedmaßen und schwingt in Bewegung zwischen den Vorderbeinen. Sein Gewicht verteilt sich aber auch auf beide Vorderbeine und wird auf dem Boden abgestützt. Er besteht vorne vor allem aus dem Brustbein, den vorderen Brustwirbeln und den zugehörigen Rippen. „Die ersten acht Rippen sind fest mit dem Brustbein verbunden, wobei die erste Rippe direkt hinter dem siebten Halswirbel entspringt“, erklärt die Expertin.

An dieser Konstruktion sind hauptsächlich der Hauptrumpfträger (Musculus serratus ventralis) und die Brustmuskeln (Musculus pectoralis) beteiligt. Der Serratus ventralis, ein Muskel mit starker Sehnenplatte am Knochen, ist die wichtigste und stärkste Verbindung zwischen dem Rumpf und den Vorderbeinen. Er setzt am oberen Ende der „Hängematte“ an, innen am oberen Bereich des Schulterblattes, und besteht aus zwei Teilen: Der eine Teil führt fächerförmig entlang des vierten bis siebten Halswirbels, und der hauptsächlich tragende Teil bildet sich von der ersten bis zur achten (manchmal auch bis zur neunten) Rippe aus.

„Der Hauptrumpfträger ist für das Anheben des Brustkorbes verantwortlich und verhindert das Absinken desselbigen. Zudem wird er als Hauptstoßdämpfer für die Stabilisation gegen die Schwerkraft und als Energiesparfederung der Vorhand bezeichnet“, so Landskron. Am unteren Teil der „Hängematte“ setzen die Brustmuskeln an, die zwischen dem Brustbein, nach innen an die Oberarme sowie teilweise nach außen um den Oberarm verlaufen. Sie verbinden die Vorderbeine mit dem unteren Teil des Rumpfes. Ihnen wird hauptsächlich eine Adduktionsfunktion zugeschrieben. Vereinfacht gesagt, ziehen sie das sich nach vorne bewegende Vorderbein nach innen und helfen bei der Rückführung der Vordergliedmaßen, so die Pferdeosteopathin.

Stabilisierende Muskeln

Daneben gibt es noch weitere Muskeln, die an der Vorhand beteiligt sind. In der Bewegung werden vor allem die starken Streck- und Beugemuskeln wichtig, die ab ungefähr der Ellbogengelenkshöhe entspringen und weiter unten in Höhe des Karpalgelenks in den Beuge- und Strecksehnen enden.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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