Text: Inga Dora Schwarzer          Foto:www.Slawik.com

In der Kürze liegt die Würze: Die kurze Seite des Dressurvierecks birgt unglaublich viel Potenzial für das Reittraining. Man muss es nur nutzen. Der Dressurausbilder Thomas Ritter und die Pferdewirtschaftsmeisterin Katja von Rönne zeigen, wie eine effektive Gymnastizierung auf wenigen Metern gelingen kann

Stellen Sie sich einen großen Lkw mit Anhänger vor. Ein solches Gespann ist hierzulande nicht mehr als 18,75 Meter lang und kommt damit dem Maß der kurzen Seite sehr nahe. Zugegebenermaßen fehlen noch 1,25 Meter, aber der Längenvergleich zeigt, wir kurz die kurze Seite im Dressurviereck wirklich ist. „Wenn man die Tritte zählt, wird ein durchschnittlich großes Pferd sie in fünf bis sechs Trabtritten des inneren Hinterbeins passieren. Im Galopp werden es etwa fünf bis sechs Sprünge sein, wenn der Versammlungsgrad des Galopps dem des Trabes entspricht“, macht Dressurausbilder Dr. Thomas Ritter aus Portugal deutlich. Nimmt man die Ecke davor und danach hinzu, kommen noch ein paar Tritte und Sprünge mehr dazu.

Kurze 20 Meter

„Die Ecken sollten (in der Tradition der alten Spanischen Reitschule in Wien) drei Tritte des inneren Hinterbeins aufweisen. Es sind also alles in allem nur elf bis zwölf Tritte bzw. Sprünge. Bei sehr großen Warmblütern werden es unter Umständen weniger sein“, so der Experte. Kürzt das Pferd jetzt noch die Ecke ab, verringert sich die Zahl weiter, und damit bleibt noch weniger Zeit, um das zu reiten, was man sich vorgenommen hat, merkt er an. „Durch die begrenzten Platzverhältnisse wird man also gezwungen, sehr bewusst zu reiten und sehr effizient in der Hilfengebung zu werden. Jede Hilfe, die nicht durchgeht, bedeutet einen Verlust von ein bis zwei Tritten, was dazu führen kann, dass einem am Ende der Platz ausgeht“, sagt er. Vielleicht ist es dieses Platzproblem, das die kurze Seite zu einem Schattendasein verdammt. Oder findet sie wenig Beachtung, weil die meisten Lektionen an der langen Seite oder auf der Diagonalen geritten werden? Genau das vermutet Ritter. „Es gibt im Turniersport zwar ein paar Aufgaben, in denen an der kurzen Seite durchpariert und rückwärtsgerichtet wird oder ein fliegender Wechsel bei A oder C stattfindet, aber an den meisten kurzen Seiten wird keine Lektion verlangt“, weiß er.

Pferdewirtschaftsmeisterin Katja von Rönne stimmt ihm zu und ergänzt, dass einzig noch das Abwenden von der kurzen Seite auf die Mittellinie verlangt wird. Ihrer Meinung nach liegt der reiterliche Fokus zu sehr auf dem Trainieren von Lektionen an der langen Seite. „Die Reiter bemühen sich, diese sehr konzentriert und möglichst gut zu absolvieren. Wie ein prall mit Luft gefüllter Ballon sind Körperspannung und Konzentration von Reiter und Pferd in hohem Masse vorhanden. Doch nach Beendigung der Lektion fallen sie in ein Konzentrationsloch. Das Pferd läuft unausbalanciert durch die Ecken und die kurze Seite entlang – so als ob die Luft aus dem Ballon mit einem Schlag entweicht. Die kurze Seite wird als Reit- und Gedankenpause benutzt“, sagt sie. Dabei stellt die Ecke als Viertelvolte gleich die nächste Lektion dar und sollte genauso so sorgfältig und fokussiert geritten werden. „Erst nach der kurzen Seite wieder mit dem korrekten Reiten anzufangen ist wenig sinnvoll. Dann muss der Reiter den Luftballon ja erneut aufpumpen. Im Parcours muss ich mich auch gleich wieder auf das nächste Hindernis einstellen. Das ist beim Dressurreiten nicht anders. Vor der Lektion ist nach der Lektion“, gibt die Expertin zu bedenken. Zudem könne man hier – besonders auf dem Turnier – das Pferd im Seitenbild optimal präsentieren.

Gute Vorbereitung

Die kurze Seite dient der Vorbereitung von Lektionen. Je sorgfältiger man Ecken und kurze Seite reitet, desto besser werden die Lektionen auf der kommenden langen Seite oder Diagonale gelingen, ganz gleich ob Tritte verlängern, Viereck verkleinern und vergrößern, Traversalen, fliegende Wechsel oder Serienwechsel, sind sich beide einig.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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