Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt Foto: Getty images
Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd
Die meisten aktiven Reiter sind Mitglieder eines Reitvereins. In vielen Reitställen ist die Mitgliedschaft im Verein sogar Voraussetzung für das Einstallen des Pferdes. Als Mitglied eines Reitvereins darf man nicht nur für den Verein an Turnieren teilnehmen, sondern manche Vereine erwarten, neben den Mitgliedsbeiträgen, dass die Mitglieder Arbeitsstunden leisten. Auch wenn man freiwillig im Verein hilft oder ein Amt übernimmt, stellt sich die Frage welche Rechte und Pflichten die Vereinsmitglieder haben, welche Haftungsregeln für den Verein gelten, welche Pflichten der Verein gegenüber seinen Mitgliedern hat und wie sich die Haftung auf Minderjährige auswirkt.
Ein Reitverein ist, wie im Falle eines sonstigen Vereins, ein Zusammenschluss von mindestens sieben Personen. Zur Gründung eines Reitvereins bedarf es keiner größeren Formalitäten, die Gründungsmitglieder müssen aber eine Vereinssatzung beschließen, die von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet werden muss und diese muss dann ins Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht eingetragen werden. Mit der Verabschiedung der Satzung muss auch der Vorstand des Vereins gewählt werden. Es sollte zudem festgelegt werden, ob es sich um einen gemeinnützigen Verein handeln soll. Dies Gemeinnützigkeit wird dabei vom zuständigen Finanzamt festgestellt. Der Vorstand ist für die Geschäftsführung des Vereins zuständig. Jedem Reitverein steht es frei dem Landesfachverband beizutreten. In diesem Fall unterwirft sich der Verein dessen Regeln und folglich auch den Regeln der Deutschen Reiterlichen Vereinigung als Dachorganisation.
Welche Rechte und Pflichten haben die Vereinsmitglieder in einem Reitverein?
Die Rechte und Verpflichtungen der Mitglieder ergeben sich aus der Satzung des Vereins. Das kann zum eine die Pflicht sein, einen Mitgliedsbeitrag zu zahlen oder aber auch Arbeitsleistungen auf dem Vereinsturnier durchzuführen etc. Verstößt ein Mitglied gegen Ordnungsvorschriften des Vereins, kann das geahndet werden und letztlich zum Ausschluss aus dem Verein führen.
Gibt es Streitigkeiten innerhalb des Vereins, kann ein sogenanntes Vereinsgericht angerufen werden, wenn die Satzung dies vorsieht.
Welchen Haftungsregeln und Pflichten unterliegt der Verein?
Der Verein handelt gemäß § 26 II BGB durch seine vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder oder besondere Vertreter als natürliche Personen gemäß § 30 BGB. Handlungen könne beispielsweise das Abschließen von Verträgen wie Kaufverträgen, Mietverträgen oder Arbeitsverträgen sein. Der Verein haftet dabei mit seinem Vereinsvermögen. Die Verantwortlichkeit des Vereins für den Schaden, der einem Dritten durch das Handeln der vertretungsberechtigten Mitglieder entsteht, ergibt sich aus § 31 BGB. Zudem haftet der Verein für sämtliche Erfüllungsgehilfen, denen er sich in Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient. Dies ergibt sich aus § 278 BGB, wonach der Verein für fremdes Verschulden im gleichen Umfang haften muss wie für eigenes Verschulden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Reitverein ein Turnier veranstaltet. Alle Turnierhelfer sind regelmäßig Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB. In bestimmten Fällen haften aber auch die einzelnen Vorstandsmitglieder für einen Schaden mit ihrem Privatvermögen. Dies kann der Fall sein, wenn ein Vorstandsmitglied seine Kompetenzen in Eigeninitiative übersteigt und für die Umstände vollumfänglich persönlich verantwortlich ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn einem Vorstandsmitglied bestimmte Gefahren bekannt sind, es aber nichts dagegen unternimmt und so fahrlässig handelt. Reitvereine obliegen Verkehrssicherungspflichten, da durch die Eröffnung eines Reitvereins potenzielle Gefahrenquellen für Dritte eröffnet werden. Sei es die Vereinskoppel am nahegelegenen Wohngebiet oder das Vereinsturnier, das Zuschauer anlockt. Eine Gefahr für andere schafft ein Reitverein daher erst, wenn ein sachkundiger Beobachter aus der Sicht des Dritten eine Gefahr erkennt und die Verletzung von Rechtsgütern Dritter für naheliegend hält. Bei Minderjährigen gelten besonders strenge Sicherheitsmaßstäbe, da Kinder aufgrund ihrer mangelnden Einsichtsfähigkeit und Unerfahrenheit Gefahren nicht voraussehen können. Geschützt werden im Rahmen des Verantwortungsbereichs des Vereins diejenigen Personen, die sich üblicherweise im Verein aufhalten. Hingegen gilt dies nicht für unbefugte Personen, die sich in den Gefahrenbereich begeben. Dies können Personen sein, die unberechtigt die Koppeln betreten, um dort Pferde zu füttern und dort aufgrund von Unerfahrenheit im Umgang mit Pferden getreten werden.
Urteil zur Haftung eines Reitvereins bei einem Reitturnier
Vorliegender Fall lag dem Landgericht Berlin zur Entscheidung über die Frage der Haftung des Vereins bei einem Reitturnier vor. Bei einem Vielseitigkeitsturnier des Vereins stieß der klagende Reiter gegen das Hindernis „Zwergenheim“, das nicht im Boden verankert war. Infolgedessen kippte das Hindernis um und erhöhte sich um 30 cm, sodass das Pferd samt Reiter stürzte. Das Pferd fiel auf den Reiter, der sich schwer verletzte. Nachforschungen ergaben, dass sich das Hindernis zu keinem Zeitpunkt in einem ordnungsgemäßen Zustand befand, der von der Leistungsprüfungsordnung zulässig war. Der Gutachter teilte dem Gericht mit, dass Vielseitigkeitshindernisse immer fest im Boden verankert sein müssen. Dies zeichne das Vielseitigkeitsreiten aus, dass anders als beim Springreiten die Hindernisse nicht umfallen können. Auch die Ausbildung des Vielseitigkeitspferdes sei auf derartige Anforderungen ausgelegt, und die Pferde würden den Unterschied zwischen festen Hindernissen und Stangen erlernen. Daher muss das Hindernis in einem derartigen Geländeparcours befestigt sein, um das Pferd nicht zu irritieren und um Verletzungen so zu vermeiden.
Nach den Vorgaben der Prüfungsordnung für Vielseitigkeitsprüfungen der Deutschen reiterlichen Vereinigung müssten die Verankerung im Boden von mindestens 80 cm eingehalten werden. Der Parcoursbauer und der Turnierveranstalter unterliegen diesen Sicherheitsmaßstäben. Das Gericht entschied unter der Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Reiters durch fehlerhaftes Anreiten, dass der ausrichtende Verein, der Landeskommissionsbeauftragte und der Parcoursbauer dem Reiter schadensersatzpflichtig sind und Schmerzensgeld zahlen müssen.
Urteil zur Haftung eines Reitvereins bei der Schädigung eines Vorstandsmitglieds durch ein vereinseigenes Pferd
Nicht selten stellt ein Reitverein seinen Mitgliedern Pferde zum Reiten zur Verfügung. Durch die Mitgliederbeiträge finanzieren die Vereine den Unterhalt ihrer Vereinspferde. Dass der Verein für Unfälle, die auf dem Gelände des Vereins mit den Pferden passieren, haften muss, liegt nahe, doch wie sieht es aus, wenn diese Unfälle mit Mitgliedern passieren, die selbst als Organe im Verein tätig werden? Im folgenden Beispiel entschied das Landgericht Münster über einen Reitunfall eines Vorstandsmitglieds mit einem vereinseigenen Pferd. Die Geschädigte ist Vorstandsmitglied eines Reitvereins, der seinen Mitgliedern die Pferde zu Reitzwecken zur Verfügung stellt. Eines Tages ritt die Geschädigte auf dem Hengst Q in der Reithalle des beklagten Vereins. Aufgrund eines knackenden Geräuschs scheute der Hengst, buckelte und warf die Reiterin ab. Bei dem Sturz zog sich die Geschädigte einen instabilen Bruch des 12. Brustwirbels zu, der stationär behandelt werden musste. Die Kosten für die Heilbehandlung beliefen sich auf rund 14.000 Euro.
Der Verein hatte im Rahmen eines Sportversicherungsvertrages als Tierhalter eigener Pferde eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Versicherung lehnte eine Haftung jedoch ab und berief sich auf ihre Allgemeinen Vertragsbedingungen, die gesetzliche Vertreter juristischer Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie nicht rechtsfähige Vereine von der Haftung ausschließt. Die Versicherung warf der Geschädigten ein Mitverschulden vor, da sie als Vorstandsmitglied für die Betreuung und Verwendung des schadenverursachenden Pferdes mitverantwortlich gewesen sei. Das Gericht berief sich zunächst auf die Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB, die eine Gefährdungshaftung des Vereins begründen würde. Ein Handeln auf eigene Gefahr verneinte das Gericht hingegen, da die Geschädigte keine außergewöhnlich großen Risiken einging, die über das gewöhnliche Reiten hinausgingen. Zudem führte das Gericht an, dass auch ein Vorstandsmitglied Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen kann, wenn er durch das Verhalten des Organs, für das der Vorstand gemäß § 31 BGB haftet, in seine Rechten verletzt wurde. So kann auch ein Vorstandsmitglied als Dritter angesehen werden. Diese Vorschrift fand im konkreten Fall jedoch keine Anwendung, da es sich in diesem Beispiel um eine Gefährdungshaftung nach § 833 S.1 BGB handelte. Der Grund hierfür liegt in der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum. Zudem ritt die Geschädigte das Pferd nicht, um eine mit ihrer Stellung als Vorstandsmitglied verbundene Tätigkeit auszuführen, sondern machte von ihrem Mitgliedsrecht Gebrauch, die vereinseigenen Pferde zu reiten. Das Gericht sprach der Geschädigten einen Schadensersatzanspruch zu.
Was ist, wenn sich Kinder oder Jugendliche im Reitstall verletzen?
Kinder unter dem 14. Lebensjahr sind nicht deliktsfähig und können daher grundsätzlich nicht zu einer Schadensersatzhaftung herangezogen werden. Im Schadensfall kann eine Haftung aber für die Personen greifen, die die Aufsichtspflicht verletzt haben. Überlässt ein Einsteller einem Kind sein Pferd, welches dem Kind offensichtlich nicht gewachsen ist, verletzt aber der Einsteller eine Aufsichtspflicht und ist bei einem Unfall für den Schaden haftbar. Die Aufsichtspflicht kann auch durch einen privatrechtlichen Vertrag von den Eltern auf eine andere Aufsichtsperson übertragen werden, etwa im Rahmen eines Reitcamps, oder auf Aufsichtspersonen im Reitverein.
Mitglied eines Reitvereins zu sein bedeutet nicht nur Spaß, sondern auch, Pflichten zu erfüllen
Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.
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Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.