Text: Andreas Ackenheil. Rechtsanwalt Foto: imago images/ Rau
Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd
Der professionelle Reitsport ist immer wieder der Kritik ausgesetzt, dass er nicht tiergerecht sei und der Profit, der auf internationalen Turnieren und mit der Zucht erzielt wird, dem Tierwohl vorangehe. Im Spitzenspringsport war es Paul Schockemöhle, der durch seine Trainingsmethode, dem Barren, immer wieder von Tierschützern angegangen wurde. Beim Barren schlägt man dem Pferd beim Absprung mit einer Stange auf die Vorderbeine, sodass das Pferd denkt, dass es einen Sprungfehler gemacht hat und so beim nächsten Hindernis vorsichtiger wird und automatisch versucht, höher zu springen. Auch die Art der Ausrüstung wurde von Tierschützern immer wieder scharf kritisiert. So sind im Springsport nahezu alle Gebissarten und Zäumungen zugelassen.
Zuggamaschen an den Hinterbeinen sind jedoch seit dem Jahr 2020 verboten. So wurden die bestehenden Leitlinien 2020 für den Tierschutz im Pferdesport überarbeitet. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat hierfür die „Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“ aktualisiert herausgegeben. Diese Leitlinien sollen nicht nur den Behörden als Auslegungshilfe bei der Anwendung der allgemeinen Regelungen des Tierschutzgesetzes dienen. Sie sollen insbesondere auch den Personen Orientierung bieten, die häufig mit Pferden umgehen. Die geltenden Leitlinien wurden hierbei um folgende Bereiche aktualisiert:
■ Haltungsbedingungen für Jungpferde im Rahmen der Ausbildung
■ Mindestalter beim Ausbildungsbeginn
■ Mindestalter beim Ersteinsatz in Wettbewerben oder ähnlichen Veranstaltungen
■ Haltungsbedingungen im Rahmen von Wettbewerben oder ähnlichen Veranstaltungen
■ Verbot der sogenannten Rollkur (Überbeugung des Genicks oder Halses)
Im Dressursport hat vor allem die holländische Equipe in den vergangenen Jahren für Aufsehen gesorgt. Dort zählt die sogenannte „Rollkur“ oder LDR – Long, Deep, Round – als Trainingsmethode. Hierbei wird der Hals des Pferdes derart überdehnt, dass das Pferd sich nahezu in die Brust beißt.
Sinn und Zweck der Rollkur soll die Verbesserung der Beweglichkeit des Pferdes sein. Da diese Überdehnung des Genicks Schmerzen und Atemnot beim Pferd hervorruft sowie Stress auslöst, stellt dies mittlerweile eine Reitweise dar, die unter Verruf steht. Seit der Ära „Totilas, das Wunderpferd“ sorgte die Rollkur in allen Bereichen des Reitsports für Brisanz.
Der erste Reiter von Totilas, Edward Gal, war bekannt dafür, dass er Rollkur bei seinen Pferden praktiziert. Aufgrund des weiteren Lebens von Totilas, unter Matthias Alexander Rath, kam der Vorwurf der Rollkur vermehrt auch bei anderen Reitern auf, sodass das Reglement des Turniersports vorsieht, maximal zehn Minuten in Rollkur zu reiten. Letztlich wurde Edward Gal von der Tierschutzorganisation PETA wie zuvor Paul Schockemöhle wegen des Vorwurfs der Tierquälerei vor Gericht angeklagt. Auch Matthias Alexander Rath und die damaligen Besitzer, Familie Linsenhoff, wurde Tierquälerei in Bezug auf die Haltung von Totilas vorgeworfen.
Doch was ist Rollkur genau, und wie ging der Rechtsstreit um die Tierquälerei aus? Warum steht der Reitsport immer wieder unter dem Vorwurf der Tierquälerei?
Was ist Rollkur, und warum ist sie so schädlich?
Die Rollkur ist vor allem im Springreiten sowie in der Dressur weit verbreitet. Das Pferd wird dabei durch die Einwirkung des Reiters über Zügel und Gebiss in eine extrem enge Halsposition gezwungen. Das Pferd kommt somit hinter die Bewegung und rollt sich ein. Dabei wird das Genick des Pferdes überdehnt und gequetscht.
Durch die Hyperflexion des Halses kann es zu Schmerzen kommen. Pferde, die häufig in der Rollkurhaltung geritten werden, leiden an Muskelverspannungen, Maulverletzungen und Rückenproblemen. Auch die Hinterhand des Pferdes kann dadurch blockiert werden. Da die Rollkur unter enormem Zwang hervorgerufen wird, verursacht das beim Pferd enormen Stress, der sich auch in psychischen Auffälligkeiten äußert. Die Pferde leiden an Verhaltensstörungen wie Weben oder Koppen, oder sie bekommen Magengeschwüre.
Wie reagiert die internationale Reitervereinigung FEI auf die Methode der Rollkur?
Sowohl die Deutsche Reiterliche Vereinigung sowie die FEI sehen die Rollkur sehr kritisch. Dabei verweisen sie auf die klassische Reitlehre, bei der das Pferd ohne Gewalt in eine Anlehnung gebracht wird und sich selbst trägt, ohne durch Zwang und Druck in eine Halswölbung „gezogen“ zu werden. Folglich müssen seelische und körperliche Komponenten in Einklang mit der Ausbildung des Pferdes stehen und dürfen zu keiner Überforderung führen.
Zudem reagierte die FEI auf die Ereignisse beim CHIO Aachen, bei dem wiederholt Reiter in Rollkur auf dem Abreiteplatz geritten sind. So wurde die sogenannte LDR-Regel eingeführt (Low, Deep, Round), bei der das Pferd zehn Minuten lang am Stück in dieser Haltung geritten werden darf. Dies wurde jedoch von der FEI aufgehoben, sodass LDR wieder uneingeschränkt auf internationalen Turnieren praktiziert werden kann. Ein festes Reglement oder eine Stellungnahme der FEI existiert darüber nicht. Dennoch dürfen die Stewards und Richter am Abreitplatz weiterhin gelbe und rote Karten verteilen, wenn sie Verstöße wahrnehmen. Ob diese Verstöße durch die Stuarts aber immer geahndet werden, ist fraglich. Immer wieder kommt es vor, dass Stewards, insbesondere auf internationalen und großen Turnieren, über die Reitweise bestimmter Reiter hinwegsehen, um Ärger aus dem Weg zu gehen.
Wie wird eine tierschutzwidrige Reitweitweise geahndet?
Im Jahr 2012 wurde eine Frau wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in drei tateinheitlichen Fällen vor dem Amtsgericht Starnberg zu einer Geldstrafe in Höhe von 27.000 Euro zu 180 Tagessätzen verurteilt, da sie ihre Pferde tierschutzwidrig hielt und immer wieder in der LDR-Methode ritt, wodurch die Pferde massive Muskelverspannungen aufwiesen. Da die Rollkur-Methode in Deutschland damals offiziell nicht verboten war, drohte den Praktikern keine Strafe.
Bei wiederholter Anwendung und gesundheitlichen Auswirkungen des Pferdes in Verbindung mit sonstigen Haltungsverstößen muss der Reiter mit empfindlichen Geldstrafen oder Sperren auf Turnieren rechnen. Dies ist jedoch von Fall zu Fall anders zu beurteilen. Noch strengere Regeln sieht die FN und FEI für Reiter vor, die ihre Pferde dopen. Hierbei können die Reiter vom Sportgericht gesperrt werden.
Ist die Rollkur verboten?
In der Schweiz ist die Rollkur und das Barren bereits unter Strafe gestellt worden. In Deutschland sind Maßnahmen, die zu einer Hyperflexion des Genicks oder Halses (sogenannte Rollkur) führen, gemäß den Leitlinien des BML für den Tierschutz im Pferdesport tierschutzwidrig, da sie zu erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei den betroffenen Pferden führen. Tierschutzwidrig ist es auch, Pferde im Stall, beim Transport oder auf dem Transportfahrzeug sowie außerhalb des Trainings und/oder ohne permanente Aufsicht auszubinden. Abzulehnen ist der Einsatz von Hilfszügeln auf dem Laufband oder in Führmaschinen.
Welche Gesetze regeln den Schutz von Pferden?
Jedes Pferd, egal ob Sport- oder Freizeitpferd, wird durch das Tierschutzgesetz geschützt. Das Tierschutzgesetz dient dem Schutz von Leben und Wohlbefinden von Tieren. Gemäß §§ 17, 18 TierSchG darf niemand ohne vernünftigen Grund oder aus roher Gewalt einem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügen. Zudem ist es nach § 3 TierSchG verboten, von dem Pferd Leistungen abzuverlangen, die es wegen seines Zustandes oder seiner Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllen kann. Zwar ist die Rollkur gemäß den Leitlinien des BML tierschutzwidrig, jedoch handelt es sich hierbei um Leitlinien und nicht um ein Gesetz. Dass die Rollkur, durch Studien belegbar, Stress und Leid hervorruft, ist unbestritten, sodass auch dies schon Verstöße gegen §§ 17, 18 TierSchG begründen würde.
Anklage von Edward Gal durch PETA
Aufgrund des wiederholten Vorwurfs der Rollkur klagte PETA den ehemaligen Reiter von Totilas an. Edward Gal erzielte mit dem Zehn-Millionen-Pferd Totilas enorme Erfolge.
Bei einem Blick hinter die Kulissen fiel Fachleuten immer wieder auf, dass Totilas sehr hart rangenommen und sehr tief und eng geritten wurde. Auch bei anderen Pferden von Edward Gal wurde diese Reitweise immer wieder beobachtet.
Mehrere Videos und Gutachten brachte PETA vor Gericht vor, die den Straftatbestand der Tierquälerei verdeutlichten. Jedoch wurde die Klage am Aachener Amtsgericht (Az: 454 Cs605 Js 1497/15 – 106/21) gegen Edward Gal letztlich abgewiesen. Begründet wurde die Klageabweisung damit, dass sich Edward Gal an die zu der Zeit geltenden Standards zur Reitweise in Training und auf dem Turnier, gehalten habe und somit ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliege.
Folglich wurde Edward Gal freigesprochen. Dieser Rechtsstreit zog sich über sechs lange Jahre hin. Nun will Gal gegen PETA klagen, da die Organisation seinen Ruf beschädigt habe und dies weitreichende Folgen für sein Ansehen im Reitsport nach sich ziehe.
Tipp vom Anwalt für Pferderecht Ackenheil:
Trotz der Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die für die Haltung von Pferden und den Tierschutz im Pferdesport Leitlinien herausgibt, sind immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Sollten Sie Zeuge von Tierquälerei geworden sein, sollten Sie dies bei dem zuständigen Veterinäramt/Ordnungsamt melden. Beachten Sie jedoch, dass diese Meldungen wahrheitsgemäß zu erfolgen haben, denn ungerechtfertigte verleumderische Anzeigen können auch zu Regressforderungen des Geschädigten führen.
Sollten Sie von Ihrem Veterinäramt einen Besuch bzw. unberechtigte Auflagen zur Pferdehaltung erhalten haben, zögern Sie nicht, sich frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Ein auf Pferderecht in Verbindung mit Tierrecht spezialisierter Anwalt kann Ihnen nicht nur vor Gericht, sondern auch schon im Vorfeld zu einer gütlichen Einigung verhelfen. Gerne stehe ich Ihnen mit meinem Beraterteam deutschlandweit zur Verfügung.
Ihr Anwalt für Pferderecht
Rechtsanwalt Ackenheil
Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.