Text: Nicole Audrit         Foto: Daniel Elke

Zahnschmerzen sind fies – nicht nur für den Menschen, sondern auch fürs Pferd. Haken, Kanten oder Höhenunter- schiede in der Kaufläche können sowohl die Rittigkeit als auch den Allgemeinzustand des Pferdes negativ beeinflussen. Daher ist eine regelmäßige Kontrolle und gegebenenfalls eine Behandlung durch einen Fachmann Pflicht

Mitwachsende Zähne

Nachdem der Zahn­wechsel abgeschlossen ist, kann das Intervall auf ein Jahr ausgeweitet werden – eine Ausnah­me bilden dabei Pferde mit ausgeprägten Fehlstellungen, Zahn­lücken oder Erkran­kungen wie EOTRH. „Pferde haben ein Abnutzungsgebiss: Dies bedeutet, dass sich die Zähne jähr­lich etwa zwei bis drei Millimeter aus dem Kiefer heraus­ schieben – dies ge­schieht lebenslang, im Alter jedoch etwas weniger“, er­ klärt Dr. Markus Gerlach. Ursprünglich ist das Pfer­degebiss darauf ausgelegt, dass die Zahnsubstanz durch die Nahrungsaufnahme abgeschliffen wird. Durch die veränderten Haltungsbedingungen ist dies jedoch nicht immer der Fall, sodass Pferde ab sieben Jahren oft aufgrund von zu langen Schneidezähnen behandelt werden müssen. Durch die über­ langen Schneidezähne gerät die Drei­Punkt­ Balance – eine gleichmäßige Ausbalancierung des Gebisses in den Bereichen der Schneide­ und Backenzähne sowie des Kiefergelenks – aus dem Gleichgewicht. Durch die langen Schneidezähne entsteht eine Lücke zwischen den Backenzähnen, sodass viel Druck zum Zermahlen der Nahrung erforderlich wird. Als Folge wird das Kiefergelenk überlastet und Verspannung im gesamten Kopf­ und Hals­Bereich sind das Ergebnis.

„Nur wenn die Zähne und der Kiefer im richtigen Win­kel und Verhältnis zueinander stehen, kann eine richtige Abnutzung, wie von der Natur vorgesehen, geschehen. Daher ist die Wieder­herstellung der Drei­Punkt­Balance das Ziel jeder Behandlung“, erklärt der Zahnexperte. Dies geschieht, indem zum einen Haken und scharfe Kanten entfernt und somit eine ebene Kaufläche hergestellt wird, und zum anderen die Schneide­ und Backenzähne in die gewünschte – und aufeinander abgestimmte – Länge gebracht werden. Hält das Pferd den Kopf oben, sollte eine gerade, kleine Lücken zwischen den Schneidezähnen zu sehen sein. Nimmt das Pferd den Kopf nämlich zum Fres­sen nach unten, wird der Unterkiefer etwas nach vorne geschoben, und die Lücke schließt sich automatisch. „Wichtig ist, dass immer so wenig Zahnsubstanz wie möglich entfernt wird. Die Pferde werden heutzutage immer älter, und somit sollte der Erhalt eines gesun­den Gebisses eine Priorität darstellen“, sagt Dr. Markus Gerlach.

Die Weisheitszähne des Menschen und die Wolfszähne beim Pferd haben eins gemeinsam: Sie sind rudimentäre Überbleibsel ohne Rele­vanz für die Nahrungsaufnahme. Problema­tisch sind die verhältnismäßig kleinen Zähne beim Pferd jedoch dennoch: Die Wolfszähne liegen direkt vor dem ersten Backenzahn und die Hengstzähne liegen im eigentlich zahn­ freien Bereich zwischen den Schneide­ und Backenzähnen, wodurch beide beim Reiten mit Gebiss problematisch werden können. „Wolfs­ zähne werden meist bereits beim Jungpferd entfernt, wenn dieses mit Gebiss geritten wird. Die Entfernung ist bei der nötigen Sachkun­de ohne großen Aufwand möglich, da Wolfs­ zähne keine ausgeprägte Zahnwurzel besitzen“, empfiehlt Dr. Markus Gerlach. Hengstzähne können sehr lang und scharf werden, dies muss vom Fachmann ausgeglichen werden. Außerdem sind sie auch anfällig für Zahnsteinbildung. Ähnlich wie beim Menschen haben nicht alle Pferde die Anlagen für diese Zähne, sodass sie bei einigen Tieren gar nicht angelegt sind. Tückisch ist jedoch, dass sich die Wolfs­ zähne manchmal unter der Schleimhaut verste­cken und nicht durchbrechen und als „blinde“ Wolfszähne dem Pferd Schmerzen bereiten.

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