Text: Nora Dickmann            Foto: Getty images

Er gewann das Epsom Derby mit zehn Längen, 
war eines der teuersten Rennpferde seiner Zeit 
und verschwand spurlos. Bis heute gibt es keine 
Spur von Shergar

Shergar wurde als Hengstfohlen mit einer markanten weißen Blesse am Kopf 1978 in Irland geboren. Das Besitzer-Syndikat, in dem auch Queen Elisabeth II. wirkte, allen voran aber Aga Kahn, schickte den Hengst ein- und zweijährig zum Training nach Großbritannien. Zweijährig lief er seine erste Rennsaison, die er mit einem ersten und zweiten Platz beendete. Bereits ein Jahr später lief er sechs Rennen, von denen er fünf gewann. Das bedeutendste war mit Abstand das 202. Epsom Derby, welches der junge Hengst mit zehn Längen Vorsprung gewann. Dies war zugleich die längste Gewinnspanne in der Geschichte des Rennens. Dieses Rennen galt als eines der renommiertesten und höchstdotierten Pferderennen in Großbritannien.

Drei Wochen später gewann er das Irish Sweeps Derby um vier Längen; einen Monat später die King George VI und Queen Elizabeth Stakes um vier Längen. In Shergars letztem Rennen des Jahres wurde er Vierter. Somit wurde Shergar eines der berühmtesten und wertvollsten Pferde der Welt. Aga Khan, Seine Hoheit, der Prinz Shah Karim al-Husseini, ein britischer Geschäftsmann, Rennstallbesitzer und Züchter, traf die Entscheidung, ihn zurückzuziehen und zur Zucht in Irland einzusetzen. Shergar wurde seinerzeit auf 10 Millionen Pfund geschätzt und galt als ein gesunder und kräftiger Musterhengst. 
Am 8. Februar 1983 kam es zu einem einschneidenden Erlebnis: Das Pferd wurde vom Gestüt Ballymany Stud in der Nähe von Curragh im County Kildare in Irland gestohlen und nie wieder gesehen. Der Hengst wurde in einen Pferdetransporter verladen und weggebracht. Der Stallmeister James Fitzgerald wurde von den Entführern gezwungen, das Tier zu identifizieren und ihnen beim Verladen zu helfen. Während das Tier transportiert wurde, fuhr man den Stallmeister drei Stunden durch die Gegend und setzte ihn rund 50 Meilen vom Gestüt entfernt auf die Straße. 
Er überbrachte die Lösegeldforderung der Entführer: „Wenn ihr das Pferd in einem Stück wiederhaben wollt, müsst ihr zwei Millionen Pfund aushusten.“ Nachdem das Syndikat von 32 Besitzern, die für einen Anteil jeweils über 250 000 Pfund Sterling bezahlt hatten, es abgelehnt hatte, das Lösegeld zu zahlen, blieb Shergar für immer verschwunden. Unter den Besitzern fanden sich die Niarchos-Familie, Baron Guy de Rothschild, der englische Lord Derby sowie Queen Elisabth II. und der Hauptanteilseigner 
Aga Khan.

Die Spekulationen über den Verbleib des jungen Hengstes überschlugen sich. Die Gerüchte reichten von „der Hengst ist von der Provisorischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) für Gaddafi nach Libyen verschafft worden, weil Gaddafi dem Aga Khan, Oberhaupt der Ismailiten, ein Schnippchen schlagen wollte“, über die These, dass die Mafia die Hände im Spiel hatte, bis zum „Horsenapping“ einer irischen Dorfgemeinschaft, die ihre Stuten zum Nulltarif decken lassen wollte. Einige Iren wollen den Superhengst sogar durch die Luft galoppiert haben sehen. 
Egal, welche Gerüchte aufkamen, der Hengst wurde bis heute nicht gefunden.

Ein IRA-Aussteiger deckte das Ganze vermeintlich in seinem 1998 erschienen Buch „The Informer“ auf. Die IRA solle hinter der Entführung gesteckt haben, um Geld für Waffenkäufe zu erpressen. Es sei ein Mann eingestellt worden, der ein Händchen für Pferde haben sollte. Dass das mit einem Deckhengst mitten in der Decksaison aber anders verläuft, war klar: Shergar habe sich angeblich so in seiner Box gebärdet, dass er sich das Bein verletzte und bereits wenige Stunden nach seiner Entführung erschossen werden musste. Die IRA hat die Entführung nie zugegeben. Heute ehrt eine Statue im Gilltown Stud den verlorenen Hengst.

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