Text: Andreas Ackenheil        Foto: Getty Images/Westend61

Jeder Pferdebesitzer möchte für sein Pferd nur die beste tiermedizinische Versorgung. Aber was zeichnet einen guten Tierarzt aus? Er sollte sich für das Pferd entsprechend viel Zeit nehmen und es gründlich untersuchen. Dabei sollte er ruhig und behutsam mit ihm umgehen und auf die individuellen Bedürfnisse des Pferdes eingehen. Und gegenüber dem besorgten Pferdebesitzer sollte er jede Frage verständlich beantworten können und zudem auch für die Ängste und Sorgen Verständnis zeigen.

Tierarztbehandlungsvertrag

Wenn man sein Pferd von einem Tierarzt behandeln lässt, schließt man mit diesem einen Behandlungsvertrag ab. Der Behandlungsvertrag muss nicht mit einer Unterschrift oder per Handschlag geschlossen werden, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten wie „Stillschweigen“ zustande kommen. Schlüssiges Verhalten kann bereits das Betreten des Behandlungszimmers und das Erläutern der Beschwerden des Tieres sein. Das telefonische Bestellen des Tierarztes in den Reitstall ist ebenso schlüssiges Verhalten und führt zum Abschluss eines Behandlungsvertrages.

Pflichten des Pferdebesitzers aus dem Behandlungsvertrag

Wie bei allen Verträgen ergeben sich Pflichten aus dem Vertrag. Der Pferdehalter verpflichtet sich, dem Tierarzt ein Honorar für seine Behandlungsleistung zu bezahlen. Als sogenannte Nebenpflicht muss der Pferdehalter an der Behandlung „mitwirken“, den Anordnungen (u. a. Medikamentengabe, postoperative Versorgung) des Tierarztes Folge leisten. Auch sollte der Pferdebesitzer sein Pferd genauestens beobachten und den Tierarzt umfassend über auftretende Beschwerden informieren.

Pflichten des Tierarztes aus dem Behandlungsvertrag

Die Pflichten des Tierarztes reichen jedoch weiter. Neben der allgemeinen Sorgfaltspflicht hat der Tierarzt eine Aufklärungs-, Dokumentations-, Fortbildungs- und Schweigepflicht. Gerade die Aufklärungspflicht führt in der Praxis häufig zu haftungsrechtlichen Streitigkeiten. Zur Aufklärungspflicht gehört zum einen, dem Halter die Diagnose darzulegen, den Verlauf zu erläutern, auf die Art und die Durchführung, aber auch auf Alternativen und mögliche Risiken hinzuweisen. Häufig ist die mangelhafte Aufklärung über die Risiken ein Streitpunkt, denn der Tierarzt muss nicht nur auf Komplikationen hinweisen, sondern auch auf mögliche Folgen, die trotz regelgerechter Durchführung nicht ausgeschlossen werden können. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen ebenso eine große Rolle, denn der Tierarzt darf nicht einfach eine sehr kostspielige Behandlung durchführen.

Aufklärungspflicht des Tierarztes

Ziel der Aufklärung sollte es sein, den Tierhalter in die Lage zu versetzen, dass er sich für oder wider eine konkrete Behandlung seines Tieres mit sämtlichen, mitunter nur potenziell damit einhergehenden Konsequenzen entscheiden kann. Dies setzt eine ausführliche verständliche Erörterung des vom Tierarzt anvisierten Eingriffs samt der Erfolgsaussichten und Risiken voraus. Kommen zudem alternative Behandlungsmethoden in Betracht, sollten diese ebenso mit dem Tierbesitzer besprochen werden. Hinweise auf die mit der Behandlung verbundenen Kosten müssen zudem ebenfalls gegeben werden.

Ohne eine Aufklärung ist die Einwilligung in die Behandlung rechtlich ohne Wirkung. Obwohl auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen, unterscheidet sich die Aufklärung in der Tiermedizin von der Humanmedizin. Während bei der Humanmedizin die Grundrechte und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen bei fehlender Aufklärung verletzt werden, so geht es bei Tieren lediglich um das Interesse des Halters an der Erhaltung des Tieres.

Verletzt der Tierarzt seine Aufklärungspflicht aus dem Behandlungsvertrag, treffen sich die Parteien meist vor Gericht wieder. Die Fälle rund um die Tierarzthaftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung sind vielfältig.

Vor dem OLG Hamm (AZ: 26 U 95/14) klagten die Eigentümer eines 300.000 Euro wertvollen Dressurpferdes gegen ihren Tierarzt. Das Pferd fiel auf dem Turnier wegen Störungen des Bewegungsablaufes auf, weshalb die Halter den Tierarzt benachrichtigten. Der Tierarzt hegte den Verdacht der Ataxie und empfahl chiropraktische Maßnahmen. Das Pferd wurde in Kurznarkose gelegt und behandelt. Nach der chiropraktischen Behandlung konnte das Pferd jedoch nicht mehr selbstständig aufstehen und starb einen Tag später. Das Gericht entschied, dass der Tierarzt aufgrund eines Aufklärungsfehlers haften muss. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Tierarzt unzureichend untersucht und falsch behandelt sowie unzureichend über die Risiken aufgeklärt hatte. Ein Sachverständiger erläuterte, dass die Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd mit deutlich mehr Risiken verbunden ist, weil die Tiere ohnehin an Koordinationsschwierigkeiten litten. Der Tierarzt hätte aus diesem Grund über das erhöhte Risiko aufklären und Behandlungsalternativen vorstellen müssen.

Das Oberlandesgericht Köln entschied im Jahr 2018 (AZ: 5 U 26/18), dass bei einer Kolikbehandlung eines Pferde mit geringem Wert auch ein geringer Maßstab der Aufklärung anzusetzen ist. Der Pferdehalter beauftragte eine Pferdeklinik mit der Behandlung seines Pferdes aufgrund einer Kolik. Im Behandlungsformular wurde er auf verschiedene Risiken hingewiesen. Er unterzeichnete den Bogen. Aufgrund von Komplikationen während der Operation starb das Pferd. Da es sich bei dem operierten Pferd um ein Schlachtpferd handelte, sah das Gericht keine Notwendigkeit, dass eine über die allgemeinen Hinweise hinausgehende Aufklärung über die Risiken hätte erfolgen müssen.

OLG München: Tierarzt muss nach Tod eines Pferdes 250.000 Euro zahlen

Das wertvolle Pferd mit dem Namen Donna Asana, das an den Olympischen Spielen teilnehmen sollte, hatte sich 2010 einen Husten eingefangen und war, nachdem der Tierarzt ihm ein homöopathisches Mittel gespritzt hatte, an einem anaphylaktischen Schock gestorben. Nach dem Tod dieses wertvollen Sportpferdes muss der Tierarzt nun 250.000 Euro an die Halterin des Tieres zahlen. Denn das Oberlandesgericht München sah es als erwiesen an, dass er zwar keinen Behandlungsfehler beging, er aber aufgrund fehlerhafter Aufklärung haften muss. Er habe die Besitzerin des Pferdes nicht eindringlich darauf hingewiesen, dass Gefahren und Risiken bis hin zum Tod bestehen.

Tipp von Anwalt für Pferderecht

Anhand der Urteilsbeispiele wird deutlich, dass sich die Frage, „wann“ ein Tierarzt haftet, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles richten und daher nicht immer einfach zu bewerten ist. Jedem Pferdehalter kann daher nur angeraten werden, sich gerade vor anstehenden Operationen besser noch eine zweite Meinung einzuholen. Gerade bei wertvollen Sportpferden trifft den Tierarzt eine besonders umfassende Aufklärungspflicht. Um bei der Durchsetzung Ihrer Rechte nicht an „Formalitäten“ zu scheitern, empfehlen wir Ihnen, rechtzeitig den Gang zu einem auf Pferderecht und Tierarzthaftung spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechts­anwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de

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