Text: Inga Dora Schwarzer Foto: Andreas Thomsen
Fällt Ihnen das Aussitzen schwer, ziehen Sie die Absätze hoch oder klemmen Sie mit den Beinen? Dann ist es Zeit, das Gleichgewicht im Sattel zu schulen. Denn nur ein ausbalancierter Sitz kann den Pferdebewegungen sanft folgen und so zu einer harmonischen Kommunikation mit dem Vierbeiner führen. Wie das gelingt, zeigt Sitzexpertin Nadine Krause.
Pferd und Reiter sind zwei Lebewesen, die sich eigenständig bewegen. Soll Harmonie zwischen beiden hergestellt werden, müssen sie mit ihren Bewegungen zu einer Einheit verschmelzen. Eine ganz schön anspruchsvolle Aufgabe. „Das komplexe Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Sehnen und Faszien ist Voraussetzung, damit sich der Reiter gegen die Schwerkraft ausbalancieren kann. Durch eine gute Grundspannung und durch die Ausgleichsbewegungen der tiefen Rumpfmuskulatur balanciert der Reiter sich aus. Über seine Sitzbeinhöcker im Sattel und seine Fußballen im Steigbügel überprüft er sein Gleichgewicht. Durch eine leichte Winkelung in Hüft-, Knie- und Sprunggelenken wird ein Mitschwingen des Beckens möglich. Der Oberkörper wird natürlich aufgerichtet, also nicht unter Anspannung in die Höhe gezogen. Knie, Ober- und Unterschenkel liegen locker am Pferd an und klemmen nicht“, erklärt Nadine Krause, Trainer B Reiten FN, OsteoConcept Coach nach Welter-Böller und Reittrainer Sitzschulung der Sibylle-Wiemer-Akademie, das Idealbild eines perfekten Sitzes, der diese Einheit möglich macht.
Ausbalancierter Sitz
Entscheidend dafür sind ein gutes Körper- und Gleichgewichtsgefühl, denn der Reiter muss sich nicht nur an die verschiedensten Pferdebewegungen anpassen, sondern auch unvorhergesehene Situationen meistern, zum Beispiel ein Zur-Seite-Springen. Reiten ist deshalb ein ständiger Balanceakt. „Durch eine gute Grundkondition, regelmäßige Schulung des Gleichgewichts und gezieltes Krafttraining kann aber eine solide Basis geschaffen und ein geschmeidiger, ausbalancierter Sitz erreicht werden“, ist sich die erfahrene Ausbilderin sicher.
Ihr Motto dafür lautet: „Form follows function“ (zu Deutsch: Die Form folgt der Funktion). Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte Silhouette im Sattel einzunehmen und möglichst ruhig zu sitzen, wie es heute noch oft gelehrt wird. „Dieses Phänomen bezeichne ich gerne als Sterben in Schönheit. Es sieht von unten betrachtet ganz hübsch aus. Aber: Ruhig und starr auf dem Pferd zu sitzen ist nicht funktionell. Der Reiter wird statisch und lässt die Bewegungen des Tieres nicht mehr zu. Ein Teufelskreis beginnt. Der Reiter wird in der Mittelpositur fest, blockiert die Bewegungen seiner Muskeln und Gelenke und hemmt somit auch den Bewegungsfluss des Pferdes“, gibt die Ausbilderin zu bedenken.
Ein guter Reiter sitzt für sie dann gut, wenn er sich im Sattel immer wieder neu ausbalanciert und dies in einer so feinen Form tut, dass es nur so aussieht, als säße er ruhig. Dabei benötigt er Bewegung und Spannung in seinem Körper, um sich im Gleichgewicht zu halten. Er hat so viel reiterliches Gefühl entwickelt, dass er weiß, wie er seinen Körper richtig einsetzt. Gleichzeitig nimmt er die feinen Bewegungsänderungen des Pferdes wahr. Der Weg zu so einer perfekten Balance führt über Bewegung. Viel Bewegung.
Neues ausprobieren
Stellen Sie sich ein Kind vor, das erstmals versucht, in den Vierfüßlerstand zu kommen. Es wird wackeln, hin- und herwippen und sehr oft umkippen, bevor es diesen Stand sicher und ausbalanciert halten und daraus aufstehen kann. Genau so gelingt funktionelles Reiten: von der Grobform zur Feinform, von großen Bewegungen zu kleinen Bewegungen, vom Leichten zum Schweren. „Voraussetzung hierfür ist die Losgelassenheit des Reiters und die innere Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Nur so lässt sich der gewohnte Bewegungsablauf zum Positiven verändern“, sagt Krause. Auch hier gehen die Kinder beispielhaft voran. „Sie sind in der Regel unbefangener als Erwachsene und machen sich keine Gedanken über korrekt gerittene Lektionen. Sie reiten intuitiv und lassen ihren Körper unbewusst los, so dass sich dieser sehr schnell an die Bewegungen des Pferdes anpassen kann. Kinder reiten mit viel mehr Leichtigkeit“, erklärt die Ausbilderin.
…den kompletten Artikel – inklusive praktischer Übungen im Sattel und am Boden – finden Sie in der April-Ausgabe.