Text: Aline Müller Foto: www.slawik.com
Das richtige Timing spielt nicht nur in Bezug auf die Hilfengebung eine entscheidende Rolle, sondern beispielsweise auch beim Bewältigen von Hindernissen. Warum Reiter dabei weniger denken und mehr fühlen sollten, erklärt der Deutsche Meister und Team-Weltmeister der Working Equitation, Mitja Hinzpeter.
Kennen Sie das: In der Theorie klingen bestimmte Lektionen, Übungen oder Aufgaben gar nicht so schwer, doch schnell ist die anfängliche Euphorie erloschen, denn im Sattel sieht das Ganze schon anders aus. Da kann selbst eine scheinbar einfache Galopphilfe zur Herausforderung werden. Von wegen nur kurz mal den äußeren Schenkel zurücklegen und einen Impuls am inneren Schenkel geben. Während der Reiter noch über die Umsetzung nachdenkt und dann versucht, den richtigen Moment zu erwischen, ist das Pferd schon dabei, ordentlich im Trab zuzulegen. Auch wenn ein geschmeidiges Aussitzen nun nahezu unmöglich ist, kämpfen einige Reiter so lange mit ihrem Gleichgewicht, bis das Pferd doch irgendwie in den Galopp fällt. Und dann? Dann wird der Vierbeiner gelobt. Auch ein Beispiel für falsches Timing, denn das Pferd lernt so nicht, auf eine korrekte Galopphilfe anzuspringen, sondern wird für das Rennen im Trab mit anschließendem Einlegen des nächsten Ganges belohnt. „Timing ist für mich alles in der Reiterei“, sagt Mitja Hinzpeter, der Pferd und Reiter in verschiedenen Disziplinen ausbildet. „Gebe ich eine Hilfe im unpassenden Moment, bewirkt sie auch etwas Falsches, wie zum Beispiel das Angaloppieren im falschen Galopp.“
Die Sache mit dem Kopf
Unser Verstand ist schon beeindruckend. Doch manchmal steht er auch im Weg. Wenn wir uns nur noch auf das Denken konzentrieren, bleibt wenig Platz für Gefühl und Gespür. Allerdings sind gerade diese Fähigkeiten im Umgang mit Pferden und beim Reiten so wichtig. „Kinder haben häufig ein viel besseres Timing, weil sie spüren, was das Pferd gerade macht“, bemerkt Mitja Hinzpeter. „Erwachsene sind hingegen oft verkopft. Sie haben womöglich verschiedene Sachen gelesen und wissen in der Theorie über vieles Bescheid, vergessen dabei aber, dass Fühlen eine wichtige Rolle spielt. Irgendwann spüren sie einfach gar nicht mehr, was ihr Pferd ihnen eigentlich sagt.“ Sich wieder mehr vom Denken hin zum Fühlen zu begeben ist für viele Reiter nicht leicht. Im Laufe des Lebens wird uns schließlich von allen möglichen Seiten beigebracht, die Dinge rational zu sehen und den Verstand über die Intuition zu stellen. Doch das heißt nicht, dass diese Fähigkeit längst verloren ist. Es braucht nur ein bisschen Übung, dann gelingt auch das Fühlen wieder. Beobachten Sie sich am besten öfter mal selbst, wenn Sie mit Ihrem Pferd arbeiten: Handeln Sie intuitiv, oder läuft der Denkapparat auf Hochtouren? In welchen Momenten fühlen Sie Harmonie mit Ihrem Pferd? Wenn der Kopf an ist oder wenn Sie sich ganz auf die Situation einlassen?
Die richtige Balance finden
„Timing ist nicht nur eine Frage des Reitens, auch die momentane körperliche und psychische Verfassung des Reiters spielt eine Rolle“, betont Mitja Hinzpeter. Oft nehmen wir Sorgen und Stress aus dem Alltag mit in den Sattel. Von morgens bis abends prasseln zudem immer wieder ungefiltert diverse Eindrücke auf uns ein. All das muss irgendwie verarbeitet werden, doch dazu fehlt häufig die Zeit. Selbst in der Freizeit gönnen wir Kopf und Körper wenig Auszeiten. Unter diesen Umständen ist es eine echte Herausforderung, mit einem entspannten Grundgefühl in den Sattel zu steigen und dem Partner Pferd zuzuhören. Aus Konzentration wird schnell Verbissenheit und aus positiver Spannung Verspannung. Wenn Sie Ihr Timing verbessern möchten, ist es wichtig, dass Sie die richtige Balance zwischen Anstrengung und Ruhe beziehungsweise zwischen Arbeit und Freizeit finden. Erklären Sie den Stall zur stressfreien Zone, denn eine gewisse körperliche und mentale Losgelassenheit des Reiters ist wichtig, damit er sich auf das jeweilige Pferd und dessen Bewegungen einlassen kann.
Den Takt vorgeben
In der Regel haben Pferde ein sehr gutes Timing. Fehlt es ihnen jedoch an Takt, dann muss der Reiter helfen. Das heißt: „Je schlechter das Timing beziehungsweise der Takt des Pferdes, desto mehr ist wiederum der Reiter gefragt“, sagt Mitja Hinzpeter. Doch es ist gar nicht so einfach, den Takt vorzugeben, wenn es an Rhythmusgefühl fehlt. Viele Menschen haben genau damit Probleme. Hören Sie beim nächsten Konzertbesuch auf das applaudierende Publikum – fällt Ihnen auf, wie wenige Hände im Takt klatschen? Und jetzt stellen Sie sich genau diese Zuschauer im Sattel vor. Musik kann aber auch helfen, ein besseres Timing zu entwickeln: „Am besten suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Trainer nach Musik, die zu dem Takt Ihres Pferdes passt“, rät unser Experte. „Musik hat eine positive Wirkung auf den Reiter, der sich so eher entspannen und auf die Bewegungen seines Pferd einlassen kann.“ Beginnen Sie mit einem Lied für den Trab und anschließend für den Galopp. So lassen sich übrigens auch sehr gut Übergänge reiten: Durch die Musik fällt es beispielsweise leichter, nach dem Galopp wieder den richtigen Takt im Trab zu finden oder umgekehrt den richtigen Takt im Galopp nach dem Trab. Viele Pferde haben richtig Spaß an dieser Übung und machen motiviert mit.
…den kompletten Artikel – inklusive vieler Übungen –finden Sie in der Oktober-Ausgabe.