Text: Nicole Audrit Foto: Daniel Elke
Ätherische Öle sind im wahrsten Sinne des Wortes eine dufte Sache: Längst sind sie nicht mehr nur im Wellnessbereich zu finden, sondern werden unterstützend auch in den Bereichen Gesundheit, Haltung und im Training eingesetzt. Horseman Archy Tappe ist von der Wirkung überzeugt.
Aufgrund ihrer Wirkung werden verschiedene Pflanzen und Kräuter bereits in jahrhundertelanger Tradition im Rahmen der Phytotherapie vielseitig eingesetzt. Dabei setzt man auf spezielle Eigenschaften der Pflanzen: Evolutionsbedingt entwickelten verschiedene Pflanzen beispielsweise antibakterielle oder antifungizide Eigenschaften, um sich gegen Bakterien und vor Pilzbefall zu schützen. In ätherischen Ölen sind diese Wirkstoffe ebenfalls enthalten – allerdings in der höchstmöglichen Konzentration. Die Idee dahinter ist, die Kraft der Natur zu verwenden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an den Heilkräften von pflanzlichen Substanzen und in diesem Zug den ätherischen Ölen stetig steigt. Waren ätherische Öle aufgrund ihres guten Dufts bislang eher im Wellnessbereich zu finden, gibt es weitaus größere Einsatzmöglichkeiten. Schließlich besitzen sie eine höhere Wirkstoffdosis als die Pflanze selbst – sie sind sozusagen deren Quintessenz. Den mehr oder weniger angenehmen Geruch eines Raumdufts haben die meisten sicherlich bereits häufiger in der Nase gehabt, und auch Speiseöle aus Oliven, Sonnenblumen oder Raps hatte fast jeder schon mal in der Hand. Doch wie passen die ätherischen Öle in den Bereich der Öle? Ätherische Öle sind hochkonzentrierte Extrakte, die mittels eines bestimmten Verfahrens – unter anderem Wasserdampfdestillation, Kaltpressung oder Extraktion – aus einem Bestandteil einer Pflanze, beispielsweise den Blättern, Blüten, Ästen, Wurzeln oder dem Harz, hergestellt werden. Sie besitzen dieselben Eigenschaften, die den verwendeten Kräutern oder Pflanzen nachgesagt werden, allerdings in hochkonzentrierter Form.
Gelangt schnell in den Organismus
Generell gibt es bei der Anwendung ätherischer Öle – insbesondere bei der innerlichen Verwendung – einiges zu beachten. „Ein Pferdebesitzer, der wenig Vorkenntnisse in der Verwendung ätherischer Öle mitbringt, sollte sich zuvor bei erfahrenen Anwendern Tipps und Informationen besorgen. Ebenso gibt es ein reichhaltiges Angebot an guter Fachliteratur. Dort erfährt man unter anderem, welche Öle verdünnt werden müssen, wie die Öle in der Stallapotheke verwendet werden können und vieles mehr. Besonders die Raindrop- Anwendung unter Verwendung verschiedener Kräuteröle unterstützt die Pferdegesundheit in vielerlei Hinsicht. Zudem kann man die Anwendung von ätherischen Ölen auch sehr gut in einem Kurs erlernen. Das äußerliche Auftragen oder die Inhalation unterstützt sowohl körperlich als auch psychisch“, erklärt Archy Tappe, der nicht nur über einen breiten Erfahrungsschatz im Bereich des Pferdetrainings verfügt, sondern auch auf viele positive Erfahrungen mit den ätherischen Ölen zurückblickt. „Ätherische Öle wirken auf vier Ebenen: spirituell, physisch, psychisch und emotional“, erklärt Sabine Radermacher, Heilpraktikerin für Mensch und Tier. „Durch das Einatmen oder das Auftragen der ätherischen Öle auf Haut oder Kronrand der Pferde gelangen die Wirkstoffe in den Blutkreislauf. Bei der Inhalation gelangen die ätherischen Öle in zwei Sekunden ins Gehirn, und nach 20 Minuten sind sie im Blut nachweisbar. Dabei laufen viele biochemische Vorgänge direkt an den einzelnen Zellen ab – die Erklärung hierfür würde ganze Bücher füllen.“ In freier Wildbahn nehmen Pferde instinktiv die Pflanze auf, deren Inhaltsstoffe ihr Körper gerade benötigt. Ätherische Öle werden anhand dieser Theorie ähnlich eingesetzt, erklärt Archy Tappe: „Es ist wichtig, dass sich die Pferde selbst das passende Öl aussuchen dürfen. Dafür muss der Anwender genau auf die erste Reaktion des Pferdes achten: Schnuppert es freudig in die Richtung des Öls, dann ist dies eventuell die passende Wahl. Dreht es sich hingegen weg oder reagiert anderweitig ablehnend, so sollte dem Pferd dieses Öl nicht aufgedrängt werden.“
Beruhigend oder belebend
Die Anwendung von ätherischen Ölen, sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich, beschäftigt immer mehr Forscher. Noch immer sind nicht alle Inhaltsstoffe, geschweige denn Wirkstoffe der Öle gänzlich untersucht. Allerdings gibt es immer mehr wissenschaftliche Studien, die die positiven Effekte verschiedener ätherischer Öle belegen. Daher gehören die gut du enden Essenzen längst nicht mehr nur in die Bereiche Wellness oder Esoterik. So forscht Prof. Dr. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum bereits seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Düfte. Es werden allerdings noch weitere Studien benötigt, um die positiven Effekte – auf Mensch und Tier – nachzuweisen. Die Studie von Kylie Heitmann belegt, dass das Einatmen von Lavendelöl während eines Transports die Stressbelastung der Pferde reduzieren kann. Die Studentin des Albion College in Michigan untersuchte, ob eine Lavendel-Aromatherapie während eines Transportes den Herzschlag und den Cortisolspiegel – Cortisol ist ein Stresshormon – senkt. Beide Werte waren bei den Versuchspferden, die während des Transportes Lavendel eingeatmet haben, niedriger als bei den Pferden der Kontrollgruppe, die lediglich Wasserdampf eingeatmet haben. Diese Ergebnisse verdeutlichen die beruhigende Wirkung, die Lavendel bereits lange nachgesagt wird. Somit eignet sich Lavendelöl beispielsweise zur Reduzierung von Stress – sei es bei Transporten, einem Stallwechsel oder Ähnlichem. Die violette Blüte sieht nicht nur wunderschön aus, das Öl kann auch vielseitig eingesetzt werden. „Aufgrund seiner antibakteriellen, schmerzstillenden, antifungiziden und beruhigenden Wirkung kann es beim Pferd bei kleineren Verletzungen, Strahlfäule, Pilzinfektionen, kleineren Verbrennungen oder Insektenstichen eingesetzt werden. Neben diesen körperlichen Einsatzmöglichkeiten kann das ätherische Öl auch bei unruhigen oder unkonzentrierten Pferden angeboten werden“, erklärt der Pferdetrainer. „Beim Menschen sind die beruhigende Wirkung und die Förderung eines gesunden Schlafes bekannt.“
Auch in verschiedenen Medikamenten sind ätherische Öle enthalten: So enthält Coloson, ein Mittel bei Verdauungsbeschwerden, unter anderem Kümmel- und Sternanisöl. Aufgrund eigener Erfahrungen hat Archy Tappe auch den ein oder anderen Anwendungstipp parat: „Lavendel beruhigt bei Verletzungen und fördert eine gute Wundheilung. Daher kann es für kleinere Verletzung oder auch bei Sommerekzem eingesetzt werden.“
…den kompletten Artikel finden Sie in der Juni-Ausgabe.