Text: Inga Dora Schwarzer Foto: Alexia Khruscheva – stock.adobe.com
Ist das deutsche Weidemanagement veraltet? Ein bislang weitgehend unbekanntes Weidesystem aus Amerika schlägt gerade hohe Wellen. Die Rede ist vom „Mob-Grazing“. Es simuliert den Effekt, den ziehende Großherden von Pflanzenfressern auf die Umwelt haben, und soll die Weideleistung erhöhen.
In der ursprünglichen Natur zogen das ganze Jahr über große Herden von Weidetieren über das Land. Aus Furcht vor Raubtieren entwickelten sie folgende Überlebensstrategie: Sie standen beim Grasfressen dicht gedrängt nebeneinander und beweideten Flächen immer nur für eine kurze Zeit, dafür aber sehr intensiv. Dabei zertrampelten sie eine gewisse Menge an Gras und hinterließen Kot und Urin, bevor sie neues Grün suchten – so wie man es beispielsweise heute noch bei den Bisons der amerikanischen Prärie beobachten kann. Dieses natürliche Verhalten ahmt das Weidesystem „Mob-Grazing“ (MOB) nach, das vor allem von Rinderzüchtern in den USA mithilfe mobiler Elektrozäune und kleinen Weideparzellen praktiziert wird. Und so funktioniert es: Beim Grasen im MOB wird das vollreife Gras einmal und nicht tiefer als zehn bis 15 Zentimeter abgefressen und erhält danach eine längere Ruhepause. Die Tiere werden daher täglich auf ein neues, kleines eingezäuntes Weidestück gelassen, um ein frühes erneutes Abgrasen zu verhindern. Der Grund für dieses Vorgehen liegt in den Wachstumskurven der Gräser: Einmalig abgefressene Grashalme können aus ihren gespeicherten Energiereserven in den Wurzeln zügig wieder in die Höhe schießen. Werden sie jedoch kurz darauf ein weiteres Mal abgefressen, können sie keine neuen Reserven aufbauen, weil ihnen schlichtweg die Zeit dafür fehlt. Die Folge? Sie benötigen relativ lange, bis sie wieder zu ihrem optimalen Wachstum zurückfinden.
Viele Wachstumsfaktoren
Wie lange die einzelnen Grasflächen brauchen, um sich wieder zu erholen, bevor sie erneut beweidet werden können, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten. Das hängt stark von der Wachstumsgeschwindigkeit des Grases, der Jahreszeit (im Frühjahr wachsen Gräser beispielsweise fast doppelt so schnell wie im Spätsommer), vom Wetter und der Art der Düngung ab.
Mulchmäher-Effekt
Der vermeintliche Verlust an Gras, der durch die hohe Anzahl von Tieren pro Fläche niedergewalzt und mit den Hinterlassenschaften „verunreinigt“ wird, ist als positiver Mulchmäher-Effekt vorgesehen. Denn durch die natürliche Verrottung werden die für das Wachstum notwendigen Nährstoffe direkt wieder in die Erde eingebracht und der Boden wird weniger ausgelaugt. Diese Nährstoffe dienen wiederum Kleinstlebewesen als Nahrung, was sie mit einer vermehrten Humusproduktion quittieren. Das Ergebnis: schnellerer Graswuchs, mehr Blattmasse, gesündere Böden und größere Pflanzenvielfalt. So wird die Weideleistung gesteigert und die Weidesaison verlängert. Aber wenn die Wiese nicht abgeäppelt wird, ist der Wurmbefall der Pferde doch extrem hoch, mögen einige jetzt denken. Das stimmt so aber nicht. Der Wurmbefall ist nur dann erhöht, wenn die Tiere mit ihrem eigenen Kot wieder in Berührung kommen. Denn die mit dem Kot ausgeschiedenen Eier und Larven von Würmern setzen sich auf Futterpflanzen, die von den Vierbeinern gefressen werden. Genau dieses Problem gibt es beim „Mob-Grazing“ jedoch nicht, da die Weideparzellen täglich wechseln – wie in der freien Wildbahn. Da würde ein Pferd auch nicht wieder an den gleichen Platz zum Fressen zurückkehren, sondern weiterziehen. Das Abäppeln ist also immer nur dann sinnvoll, wenn das Pferd seinen Hinterlassenschaften aufgrund einer zu kleinen Weidefläche nicht ausweichen kann.
Kompromiss finden
Eine zu geringe Flächengröße ist hierzulande leider oft die Regel. Daher wird dieses Weidesystem wohl bei den meisten Pferdehaltern scheitern. Außerdem brauchen die Tiere ausreichend Platz zum Bewegen und Spielen. Hier lässt sich aber ein Kompromiss finden: Ein Teil der Weide kann als Bewegungsspielraum dienen, ein anderer, kleinerer Teil wird täglich oder wenigstens alle paar Tage mit beweglichen Elektrozäunen abgesteckt und gewechselt, um die Weideleistung nach Art des amerikanischen Systems zu erhöhen. Alternativ lässt sich ein Rundlauf um die gesamte Weidefläche anlegen, der als Bewegungsmöglichkeit genutzt wird. Zusätzlich kann eine Wechselbeweidung kleinerer Parzellen erfolgen. So ist es vielleicht dem einen oder anderen Pferdehalter doch möglich, das „Mob-Grazing“ wenigstens teilweise umzusetzen. Ansonsten schafft diese ökologisch vorteilhafte und Böden verbessernde Weideform sicherlich eines: Sie regt zum Nachdenken an.