Text: Andreas Ackenheil Foto: www.slawik.com
Es ist Frühling, und so langsam beginnt die Turniersaison. Neue Einsteller kommen mit ihren Pferden, andere verlassen den Pferdepensionsstall. Auch neue Berittpferde ziehen in den Pensionsstall ein, um bestmöglich von den Bereitern auf die Turniersaison vorbereitet zu werden. Doch was ist, wenn ein neues Pferd den Stall bezieht, das nicht den erforderlichen Impfschutz mitbringt oder gar Symptome einer Virusinfektion aufweist? Gerade im Frühjahr hört man immer wieder von Viruserkrankungen, die in verschiedenen Ställen umhergehen oder die sich Pferde auf Turnieren von anderen Pferden einfangen. Dabei stellt sich die Frage, welche Erkrankungen häufig vorkommen, was der Einsteller tun kann, um eine Erkrankung zu erkennen, ihr vorzubeugen, und gegen wen er Schadensersatzansprüche stellen kann, wenn sein Pferd erkrankt und dadurch einen Schaden erleidet. Auch für den Pensionsstallbetreiber und den Halter des Pferdes, das die Infektion mitgebracht hat, ist es wichtig zu wissen, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, wenn in dem Stall eine solche Infektionswelle ausbricht, und welchen Schadensersatzansprüchen sie ausgesetzt sind.
Welche Virusinfektionen treten am häufigsten auf?
Die häufigsten Virusinfektionen sind Influenza, Herpes und Druse. Da die Erreger dieser Viruserkrankungen meistens durch Schmierinfektion oder Tröpfchen übertragen werden, kann sich der Virus schnell im ganzen Stall verbreiten. Gerade in Ställen mit viel und vor allem wechselndem Betrieb oder in der kalten Jahreszeit, in der sich die Pferde viel im Stall aufhalten, ist das Risiko einer Erkrankung größer. Um Viruserkrankungen zu bekämpfen, sind bestimmte Impfungen beim Pferd Pflicht.
Welche Impfungen bei Pferden müssen sein?
Ein Muss gilt für die Influenza- und Tetanusimpfung sowie für die Tollwutimpfung in bestimmten Regionen Deutschlands. Die Grundimmunisierung erfolgt zweimal im Abstand von vier bis sechs Wochen und die Auffrischungsimpfung für Turnierpferde nach jeweils sechs Monaten. Für Pferde, die nicht im Sport eingesetzt werden und einem geringeren Infektionsdruck ausgesetzt sind, ist eine Wiederholungsimpfung pro Jahr ausreichend. Wichtig ist, die Impfintervalle einzuhalten, damit der Körper des Pferdes mit einer bestmöglichen Impfantwort reagieren kann. Außerdem dürfen nur gesunde Pferde geimpft werden. Das Pferd sollte daher vom Tierarzt genau untersucht werden, damit dieser feststellen kann, ob das Pferd impffähig ist. Die Impfung gegen Herpes ist nicht Pflicht, jedoch gerade für Turnierpferde und Zuchtstuten empfehlenswert.
Warum ist die Influenza-Impfung so wichtig?
Die Influenza ist eine Viruserkrankung, die sich auf den gesamten Atmungsapparat des Pferdes auswirkt und hochansteckend ist. Besonders fatale Folgen kann sie für nicht geimpfte oder nicht korrekt geimpfte Pferde haben, da sie sich schnell überträgt. Die Influenza ist auch als Pferdegrippe bekannt, und betroffene Tiere zeigen, ähnlich wie beim Menschen, Grippesymptome wie hohes Fieber, Husten, Nasenausfluss und angeschwollene Lymphknoten. Problematisch ist bei diesem Virus, dass er die Fähigkeit besitzt, immer neue Stämme zu bilden, gegen die das Pferd nicht durch die Impfung geschützt ist. Daher ist es notwendig, erkrankte Pferde zu überprüfen, um noch nicht bekannte Virusstämme zu erkennen und gegebenenfalls neue Impfstämme in die Impfstoffe aufzunehmen. Zurzeit gibt es nur die Influenza-Impfung mit zwei Erregerstämmen, die von der Welttiergesundheitsorganisation (OIE) empfohlen wird.
Sollte ich mein Pferd gegen den Equinen Herpesvirus impfen lassen?
Die Herpesviren verteilen sich auf verschiedene Stämme. Die Herpesimpfung beim Pferd deckt die Stämme 1 und 4 ab. Der Equine Herpesvirus Typ 1 (EHV-1) führt zu Fehlgeburten bei trächtigen Stuten. Gerade bei Gestüten mit vielen Zuchtstuten ist diese Impfung äußerst empfehlenswert. Der EHV-4-Stamm verursacht schwere Atemwegserkrankungen. Der derzeit einzige in Deutschland zugelassene Herpesimpfstoff basiert auf einem EHV-1-Lebendvirus. Dieser bietet jedoch keinen absolut zuverlässigen Impfschutz, denn er bewirkt lediglich die Bildung von Antikörpern, die die Symptome einer Atemwegsinfektion abmildern. Die Erkrankung kann jedoch nicht vollständig verhindert werden. Da der Impfstoff nicht vor dem Ausbruch der Erkrankung schützt, besteht auch keine Impfpflicht für Herpes. Es ist dem Pferdehalter daher selbst überlassen, ob er sein Pferd gegen Herpes impfen möchte, um das Infektionsrisiko zumindest zu verringern. Jedoch ist das Infektionsrisiko nicht kalkulierbar, sowohl für geimpfte als auch für nicht geimpfte Pferde.
Wie kann man derartigen Erkrankungen vorbeugen?
Unterschieden werden muss eine Viruserkrankung zunächst von einem leichten grippalen Infekt. Ein grippaler Infekt wird meist durch Rhinoviren (Nasenviren) übertragen. Eine Impfung ist nicht möglich, jedoch wird ein intaktes Immunsystem meist von allein mit den Viren fertig. Der Pferdehalter sollte daher bei ersten Anzeichen einer Infektion den Tierarzt rufen. Dieser kann diagnostizieren, um welche Art von Erkrankung es sich handelt. Im schlimmsten Fall handelt es sich tatsächlich um Influenzaviren, die die Gesundheit aller Pferde im Stall bedrohen können. Um Viruserkrankungen vorzubeugen, ist ein starkes Immunsystem des Pferdes entscheidend. Dies ist bei Pferden in robuster Offenstallhaltung oftmals eher vorhanden als bei Pferden in Boxenhaltung. Offenstallpferde haben einen dicken Pelz, genügend Bewegung und frische Luft – dadurch sind sie weniger anfällig für Erkältungen. Als Halter eines Offenstallpferdes sollte man bedenken, dass diese viel Energie verbrauchen, weil sie sich viel bewegen und warm halten müssen. Eine ausgewogene Fütterung mit Kraft- und Raufutter ist unerlässlich. Bei Boxenpferden sollte man auf ausreichend Licht und Luft achten. Durch die Sonneneinstrahlung produziert der Körper des Pferdes mehr Vitamin D und stärkt die Abwehr. Wichtig ist außerdem genügend frische Luft: Ammoniakdämpfe und Staub können bei geschlossenen Ställen in die Nase des Pferdes kriechen, sich absetzen und grippale Infekte auslösen. Zudem sollte die Box auf zugige Ritzen untersucht werden. Auch auf ein ausgiebiges Trockenreiten und Abschwitzen der Pferde sollte geachtet werden. Im gesamten Betrieb sollte zudem regelmäßig entwurmt und geimpft werden. Die Futtermittel sollten sauber und ordentlich aufbewahrt werden. Pferde, die neu in den Stall hinzukommen, sollten vor dem Einzug vom Stallbetreiber in Bezug auf den Impfschutz überprüft werden – so reduziert man das Risiko, dass Krankheiten in gesunde Bestände eingeschleppt werden.
Habe ich Ansprüche gegen den Stallbetreiber, wenn das neue Pferd im Stall den Virus einschleppt und mein Pferd ansteckt?
In Ausbildungs- und Turnierställen kommt es – genau wie in Handelsställen – immer wieder vor, dass Pferde vorübergehend neben den Einstellerpferden einziehen. Wird der Impfschutz der neuen Pferde dann ungenügend überprüft, kann es vorkommen, dass Pferde ohne Auffrischungsimpfung einziehen oder gar Viruserkrankungen einschleppen, die durch Stress erst im neuen Stall ausbrechen. Wenn ein solches Pferd dann im neuen Stall erkrankt und dies nicht früh genug erkannt wird, kann sich der Virus schnell im ganzen Stalltrakt ausbreiten. Je nach Pferd kann sich die Erkrankung stark auf den Körper des Pferdes auswirken und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Hohe Tierarztrechnungen und Kosten für Quarantänemaßnahmen sind vorprogrammiert. Sind von der Erkrankung dann auch hocherfolgreiche Sportpferde betroffen, die für längere Zeit ausfallen, oder Zuchtstuten, die Fehlgeburten erleiden, kann das finanziell sehr problematisch für den Stallbetreiber oder den Einsteller werden. Hierbei stellt sich die Frage, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss. Zunächst sollte sich der Einsteller vergewissern, welche Ansprüche ihm aus dem Pflichtenkatalog des Einstellervertrages zustehen. Gemäß § 688 BGB ist der Pensionsstallbetreiber, als Verwahrer des Pferdes, verpflichtet, die ihm übergebene Sache aufzubewahren. Das bedeutet, dass es die Hauptpflicht des Pensionsstallbetreibers ist, das Pferd aufzubewahren, also die Obhut für das Tier zu übernehmen. Es besteht für den Stallbetreiber grundsätzlich die Pflicht, das Pferd gegen „Zerstörung, Beschädigung und Verlust“ zu schützen. Zudem ist es wichtig festzustellen, ob der Stallbetreiber die Erkrankung hätte erkennen müssen. Hierbei spielt die Inkubationszeit eine wichtige Rolle. Ist beweisbar, dass das Pferd in dieser Zeit Krankheitssymptome gezeigt hat, haftet der Betreiber für die mangelhafte Integration des Pferdes in den Stall. Der Stallbetreiber muss auch sicherstellen, dass keine Gefahren für das eingestellte Pferd, den Eigentümer, dessen Reitbeteiligungen und andere Einsteller drohen. Verletzt der Stallbetreiber eine solche Pflicht, beispielsweise wenn er ein krankes Pferd kauft und zu den gesunden Pferden stellt, dann führt das auch zu einer Schadensersatzpflicht des Reitstallbetreibers. Es genügt, dass die Verletzung der Obhutspflicht leicht fahrlässig gemäß § 276 II BGB herbeigeführt wurde, also wenn der Stallbetreiber sich nicht vergewissert, dass das Pferd gesund ist und den nötigen Impfschutz mitbringt.
Was muss der Pensionsstallbetreiber tun, wenn eine Viruserkrankung in seinem Stall ausbricht?
Der Pensionsstallbetreiber muss im Fall eines erkrankten Pferdes sofort alle Einsteller benachrichtigen und schnellstmöglich das kranke Pferd von den noch gesunden Pferden isolieren. Das ist leider in der Praxis nicht so einfach, da viele Pferde bereits infiziert sein können, auch wenn sie noch keine Symptome zeigen. Zudem sollten strenge Hygienestandards eingehalten werden. Je mehr Betrieb auf dem Hof herrscht, desto wichtiger sind sie! Wichtig ist es, neue Pferde zunächst ein paar Tage in einem gesonderten Stall zu halten. In diesem Quarantänestall können die neuen Pferde beobachtet werden, und der Kontakt zu gesunden Pferden wird vermieden. Auch auf Pferde, die vom Turnier zurückkommen, sollte man ein Auge haben. Es ist nicht selten, dass sie sich in den Stallzelten etwas eingefangen haben. Ein gemeinsames und regelmäßiges Impf- und Entwurmungsmanagement sind unerlässlich. Auch die Mitarbeiter und alle Personen, die Zutritt zu den Pferden haben, sollten die tägliche Hygienepraxis wie Händewaschen, Desinfizieren etc. durchführen. Der Pensionsstallbetreiber sollte sich außerdem über die Qualität des Futters und Wassers vergewissern. Eine klare Trennung von Fütterungs- und Mistzubehör sollte selbstverständlich sein. Auch die Weiden und Ausläufe sollten regelmäßig abgeäppelt werden.
Trägt allein der Stallbetreiber die Verantwortung für das Ausmaß der Erkrankung?
Nein. Grundsätzlich haftet der Halter des Pferdes aus der Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB für die Schäden, die das Pferd verursacht. Das bedeutet, dass der Pferdehalter, der sein Pferd zum Beritt in einen anderen Stall gibt, auch dafür Sorge tragen muss, dass das Pferd über den nötigen Gesundheitsschutz verfügt. Da es sich bei der Tierhalterhaftung um eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung handelt, kann sich der Pferdehalter nicht entlasten, wenn er sich darauf beruft, dass das Pferd noch zu jung war und die Impfung deshalb nicht durchgeführt wurde.
Tipp vom Anwalt für Pferderecht Andreas Ackenheil
Als Pferdepensionsbetreiber sollte man immer ein besonderes Augenmerk auf den gesundheitlichen Zustand des neu einzustellenden Pferdes legen. In vielen Einstellerverträgen befinden sich oftmals sogenannte Haftungsbeschränkungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind. In ihnen versucht der Stallbetreiber seine Haftung nur auf Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten zu beschränken. Derartige Klauseln sind oftmals rechtswidrig! Sie benachteiligen den Einsteller und richten sich gegen die Natur des Vertrages, weil sie den Vertragszweck gefährden. Welche Haftungsbeschränkungen rechtssicher in einem Pferdepensionsvertrag aufnehmbar sind und wie Sie als Einsteller oder als Pferdepensionsbetreiber am besten zu Ihrem Recht kommen, kann Ihnen ein auf Pferderecht spezialisierter und erfahrener Anwalt näher erläutern.
UNSER EXPERTE: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.