Interview: Karin Tillisch       Foto: Getty Images

Zusätzlich zu dem Artikel zum Thema „Reitergeneration 2.0 – Die Millenia-Kinder und das Hobby Pferd zwischen null Bock und Selfie“ in der Mein Pferd-Ausgabe 01/2019 hat Karin Tillisch ein Interview mit verschiedenen Personen aus dem Reitsport geführt.

Interview mit Szenestars und Trainern, die VOR dem Internet schon erfolgreich waren

Unsere Interviewpartner

Christiane Slawik: Weltbekannte Pferdefotografin. Da Christiane seit über 30 Jahren rund um den Globus tätig sowie in verschiedenen Kulturkreisen unterwegs ist und so ziemlich jede Pferderasse in jeder Reitweise dieser Welt schon vor der Linse hatte oder gar selbst geritten ist, hat sie einen unvergleichlichen Überblick über die Entwicklung der Pferdewelt und einen großen Erfahrungsschatz zum Thema Pferd. www.slawik.com

Steffi Schade: 36 Jahre, Pferde-Mensch-Beziehungstrainerin. Mit Pferden aufgewachsen, seit zehn Jahren vollberuflich als Trainerin in den Bereichen Horsemanship, Reiten, Freiheitsdressur und Zirzensik tätig. www.peterpfister-schade.de

Bettina Pratt: Trainerin für berittenes Bogenschießen aus Luxemburg, international erfolgreich im Bereich Horse Back Archery. Auf Facebook zu finden unter D’Arc Angels Letzebuerg.

Dr. Nathalie Penquitt: Seit über 40 Jahren faszinieren Nathalie die Pferde. Nach ihrem Studium der Tiermedizin hat sie sich auf Hof Hohenholz mit ihrer Pferdeschule niedergelassen. Dort unterrichtet sie Pferd und Reiter. www.penquitt.de

Ramona Westphal: Trainerin B Westernreiten, lizenzierte TGT-Trainerin, betreibt mit ihrem Mann Oliver einen großen Zucht- und Trainingsstall mit Unterricht und Kinderreitferien. www.dreamranch.de

Christin Krischke: Leitung der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg, erfolgreiche Autorin. www.hofreitschule.de

 

Wenn du an deine Teen- und Twen-Jahre zurückdenkst beim Thema Pferd und Reiten, was war wohl der größte Unterschied im Tun und Denken zu den heutigen jungen Reitern in diesem Alter?

Christiane Slawik: Der Drang, sich selbst darzustellen und zu beweisen, ist bei allen Jugendlichen vorhanden. Ich habe in meiner Jugend auch Aktionen – wie Reiten ohne alles auf dem Pferd – ausprobiert. Und bin dabei aber hin und wieder gewaltig auf die Nase gefallen.

Steffi Schade: Zu meiner Teenie-Zeit gab es das Pferd und mich. Heute sehen sich viele Teenies im Kontext eines großen sozialen Netzwerks beständig in der Notwendigkeit, alles „teilen“ zu müssen. So wird es schwierig für sie, im Hier und Jetzt zu sein.

Bettina Pratt: Das Highlight des Tages war das Pony, heute nur eine von vielen Beschäftigungen des Tages.

Nathalie Penquitt: Es war damals wesentlich schwieriger, an neue Informationen zu kommen. Das Internet gab es noch nicht. Fragen konnte man nur echte Menschen oder ein Buch.

Ramona Westphal: Ich glaube, wir hatten damals viel mehr Zeit für unsere Hobbys und nicht so viele Termine wie die Teenager heute. Damals gab es keine Handys, und wir waren nicht so abgelenkt.

Christin Krischke: Zu meiner Zeit war die Stallarbeit der wichtigste Teil der Beschäftigung mit Pferden. Ich habe mindestens eine Woche lang täglich die Boxen gereinigt, um eine Stunde Einzelunterricht dafür zu erhalten, und war absolut glücklich mit diesem Verhältnis. Die Ansprüche der jungen Menschen weichen von diesem Maß an Demut heutzutage oft sehr ab. Als ich mir endlich ein eigenes Pferd leisten konnte (ich arbeitete als Flugbegleiterin), habe ich mich mit Vernunft und Pragmatismus für ein etwas teureres, aber gesundes und rundum für mich geeignetes Tier entschieden. Damals galt das Pferderetten nicht wie heute als noble, selbstlose Geste, sondern als Geldverschwendung. Die Zeit mit meinen Pferden war immer zu 100 Prozent pferdefokussiert. Das vermisse ich im Handyzeitalter sehr.

 

Jede neue Generation will und muss es anders machen als die vorherige, das ist die Evolution. Doch wenn du dir diese „Evolution“ in Sachen Reiten und Umgang mit dem Pferd bei jungen Reitern heute anschaust, wo würdest du gerne wieder die Uhr zurückdrehen? Sprich: Was war deiner Meinung nach vor 20 Jahren besser?

Christiane Slawik: Grundlegend finde ich alle Tendenzen, sich mehr mit dem Verhalten des Pferdes am Boden auseinanderzusetzen, sich mit Freiheitsdressur und Zirkuslektionen zu beschäftigen, wunderbar. Allerdings treibt diese Art des Umgangs mit den Tieren in der letzten Zeit seltsame Blüten. Das Web ist geduldig. Pferde sind es auch. Das müssen sie auch sein, denn sonst könnten sie wohl all den Dilettantismus, der sich am Boden um sie herum zunehmend breitmacht, nur schwer ertragen. „Bilder lügen nicht“ ist in den Zeiten von Photoshop längst überholt. Aber „stupid actions“, damit rechnet man in den vielen Pferdeaccounts der Social Media nicht.

Steffi Schade: Die Kinder und Teens lernen durch das System der Social-Media-Welt alles zu beurteilen. Dabei verlieren sie ein wenig die Fähigkeit, zu beobachten und zu staunen. Ich denke, das war zu meiner Teenie-Zeit noch einfacher.

Bettina Pratt: Mehr Aufklärung über artgerechte Haltung, anatomisch korrektes Reiten. Vor 20 Jahren hatten wir mehr Zeit, einfach mit dem Pony abzuhängen, haben durch Fehler gelernt und hatten keine Panik vorm Runterpurzeln.

Nathalie Penquitt: Ich weiß gar nicht, ob es besser war, nur anders. Es war alles nicht so schnell wechselnd. Das ist mal gut, mal schlecht.

Ramona Westphal: Vor 20 Jahren wurden die Kinder nicht mit Protektoren ausgestattet. Sie waren eins mit dem Pferd oder mussten es lernen.

Christin Krischke: Die Evolution der Freizeitreiter hat in den letzten 20 Jahren leider nicht zu einer Vergrößerung des Wissenshungers geführt. Durch das ländliche und von Vereinen geprägte soziale Umfeld der meisten Reiter/-innen wird heute mehr denn je über einen Kamm geschoren und nachgeplappert, was irgendeine Respektsperson gesagt hat. Wie sonst lässt sich der weit verbreitete Einsatz von Schlauf- und anderen Hilfszügeln und das Hinnehmen oder Wegschauen bei Rollkur und rollkurähnlichem Reiten erklären?

 

Vor etwa zehn bis 15 Jahren hielten die Social Media nahezu flächendeckend Einzug in die Welt der Kinder und Jugendlichen. Was ist deiner Meinung nach die prägnanteste Veränderung bei dieser Generation, die Social Media beim Hobby Pferd erzeugt haben?

Christiane Slawik: Meine Generation hatte nicht die Plattform Internet, um ihre Erlebnisse zu teilen. Allerdings hatten wir auch nicht unzählige, im Internet extrem  aktive Vorbilder, sondern orientierten uns staunend an wahren Meistern wie Freddy Knie senior. Heute präsentieren professionelle Selbstdarsteller oder Influencer Videos oder stunden-, wenn nicht sogar tagelang gephotoshopte Bilder – diese stolze Aussage der Urheberin fand ich erst kürzlich unter einem tausendfach gelikten Motiv. Die gefakten Endprodukte suggerierten, dass alles einfach und auf Anhieb für jedermann geht. Dem ist leider nicht so! Was mir auch auffällt, ist der verständliche Wunsch nach Harmonie mit dem Pferd, der aber jungmädchenhaft-romantisch pubertär verklärend auch mit älteren Damen bei extremer Vermenschlichung oder Degradierung des Tieres zum Accessoire für Abendmodefotos bildlich umgesetzt wird. Natürlich ist das reine Geschmacksache, aber die psychologischen Hintergründe solcher Sehnsüchte bringen mich doch zum Schmunzeln. Problematisch wird das Ganze für mich, wenn die Sicherheit von Mensch und Tier völlig außer Acht gelassen wird – und das ist bei sehr vielen dieser zahllosen, beliebig austauschbaren Bilder leider der Fall. Nur um auf sich aufmerksam zu machen, klemmt man sich barfuß im rutschigen Chiffon-Outfit aufs ungesattelte Pferd, das sich mit seinem Blumenkranz im Notfall wahrscheinlich nur schwer bremsen läßt. Wer einmal gesehen hat, welch schreckliche Verletzungen beschlagene Hufe anrichten, wenn sie auf nackte Füße treffen, wird sich in Zukunft immer um ordentliches Schuhwerk bemühen. Was auch gerne vergessen wird: Über die knappen, aufreizenden Kleidchen und jede Menge Haut der oft minderjährigen Mädchen und ihren „Seelenpferden“ im „Zauberlicht“ freuen sich noch ganz andere Leute als die, welche Model und Fotograf gerne als Follower hätten.

Steffi Schade: Junge Reiter heute stehen vor einem Berg voller Möglichkeiten. Das ist auf der einen Seite schön, und auf der anderen Seite kann es ganz schön zu Verwirrungen und Überforderung führen.

Bettina Pratt: Man schaut mehr aufs Handy als aufs Pferd, Likes sind wichtiger als die Bindung zum Pferd.

Nathalie Penquitt: Da alles nicht mehr so persönlich ist, sind viele Hemmschwellen niedriger. Auch das kann wieder mal gut und mal schlecht sein.

Ramona Westphal: Heute muss alles gepostet werden. Früher wurde direkt am Reitstall darüber gesprochen. Soziale Kontakte gehen leider verloren, die Teenager kommunizieren nicht mehr direkt miteinander, sondern nur noch über Instagram, Whatsapp und Co.

Christin Krischke: Social Media hat zu einer gefährlichen Selbstüberschätzung vieler unerfahrener Reiter geführt, da sie meinen, mit ihren Problemen in der Community verlässliche Antworten zu finden. Das Schwarmwissen versagt aber häufig genug und kann vor allem in praktischen Dingen die eigene Übung nicht ersetzen. Niemand lernt den korrekten Reitersitz durch Chatten!

 

Während die Generationen vor der Jahrtausendwende noch im Wald spielten, ohne Handy das Haus verließen und auf nicht-TÜV-geprüften Bäumen herumkletterten, dürfen heute manche Kinder nicht einmal mehr alleine auf den Spielplatz. Wie hat deiner Meinung nach das Verhalten der sogenannten Helikoptereltern die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in den letzten 20 Jahren in Sachen Reitsport und Hobby Pferd beeinflusst?

Steffi Schade: Kinder und Jugendliche von Helikoptereltern werden zu Vorsicht und Angst erzogen oder zur Rebellion. Beides ist meiner Meinung nach nicht erstrebenswert.

Bettina Pratt: Angst-Reiter und Kinder, die keine Initiative ergreifen oder Arbeit beim Pferd oder Stall sehen. Eltern, die für Reitzeit bezahlen und nicht einsehen, dass das Pony von der Wiese zu holen, zu putzen und fertig zu machen wichtig sind und dazugehören.

Nathalie Penquitt: Ich könnte mir vorstellen, dass dadurch die Selbstständigkeit etwas gebremst wird. Und die fehlende Bewegung könnte auch mal nachteilig sein.

Ramona Westphal: Viele Kinder sind von der Koordination her sehr zurückgeblieben. Leider haben viele Kinder auch keine selbstständigen Ideen mehr. Ich muss immer wieder beobachten, dass diese Kinder ihre Pferde nicht selbstständig bewegen können.

Christin Krischke: Mir begegnen viele Kinder, die zur Freude ihrer Mütter ein Pferd reiten und nicht, weil sie es selber begehren. Mütter, welche die Arbeit rund ums Reiten für die Kinder erledigen, weil sie Pferde über alles lieben, sich aber selbst nicht in den Sattel wagen, stülpen ihrem Nachwuchs ein Konsumverhalten und einen sportlichen Ehrgeiz über, der sich zumindest für das Pferd oft fatal auswirkt.

 

Die alles könnenden, hochbegabten Angeber: Wie kam es dazu, dass so viele Kinder und Jugendliche heute auf der einen Seite extrem von sich selbst überzeugt sind und eine wahrlich große Klappe haben, aber dann, vor ein echtes Problem gestellt oder mit der eigenen Unfähigkeit in einem Bereich konfrontiert, unsicher, depressiv oder aggressiv werden? Wie sind da deine Erfahrungen im Alltag und im Reitunterricht?

Steffi Schade: Mit Teenagern arbeite ich recht gerne. Als Trainerin habe ich einen leichten Zugang zu ihnen. Viele von ihnen erreichen wirklich tolle Sachen mit ihren Pferden. Sie sehen wenige Grenzen und probieren einfach alles aus, was ihnen gut erscheint. Problematisch wird es da, wo sie ihre mangelnde Lebenserfahrung unterschätzen. Sie brauchen eine solide Anleitung, die mehr auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit ausgerichtet ist als auf das Erreichen bestimmter Lektionen mit dem Pferd. Ungesund ist es auch, wenn sich Selbstbewusstsein und Status über die gefakte Welt aufbauen, die sogenannte Social-Media-Stars – wahrscheinlich unbewusst – von sich errichten. Dann kommt es zu Kollisionen mit der Wirklichkeit, die unbequem bis zerstörerisch sein können.

Bettina Pratt: Zu viel Internet und Social Media, sie leben in einer irrealen Welt von Photoshop bis Selbstverherrlichung. Erfahren nie Rückschläge oder können sich schlecht mit Misserfolgen auseinandersetzen, da sie das nicht gelernt haben und die Eltern konstruktive Kritik nicht annehmen oder weitergeben.

Nathalie Penquitt: Da ich eher wenig Kinder im Unterricht habe, kann ich da gar nicht so gut mitreden. Die Kinder, die zu mir kommen, sind oft unproblematisch.

Ramona Westphal: Oh, das lernen sie ganz schnell von meinen Pferden und Ponys, dass aggressives oder depressives Verhalten definitiv nicht die Lösung ist.

Christin Krischke: Immer wieder begegnen mir junge Reiter und Reitschüler, die eine derart hohe Meinung von ihrer Unfehlbarkeit haben, dass sie den Fehler gerne beim Pferd, der Ausrüstung oder dem Reitlehrer suchen. Bescheidenheit und Demut sind Werte, welche in der Ellbogengesellschaft heutzutage wenig geschätzt, geschweige denn gefördert werden. Im Resultat stehen uns neunmalkluge Zyniker gegenüber, welche Sprechen und Argumentieren geübt und ihren Willen durchzusetzen gelernt haben, denen die Pferde aber wegen mangelnder sozialer Kompetenz auf den Füßen und der Nase herumtanzen.

 

Denkst du, dass die gefühlt sinkende Konzentrationsspanne und die mangelnde Bereitschaft, sich körperlich und geistig über einen längeren Zeitraum anzustrengen, um ein Ziel zu erreichen, mit der Scheinwelt des Internets bei Jugendlichen zu tun haben, oder wo siehst du hier die Hauptursache?

Christiane Slawik: Nehmen wir als Beispiel einfach mal den momentan erneuten Hype um Zirzensik und Freiheitsdressur. Beim professionellen Zirkus- und Freiheitstraining „funktionieren“ die Pferde ganz anders und deutlich zuverlässiger als in den Social Media suggeriert! Sie lupfen nicht nur mal eben mühevoll die Vorderbeine, und ein „Fotograf“ hält den winzigen Moment irgendwie mit Serienbildern fest. „Echte“ Steiger benötigen für diese Lektion bestimmte Muskelgruppen, und die müssen sorgsam entwickelt und trainiert werden. Noch dazu wissen Profis, wie man mit diesem gefährlichsten aller Bewegungsabläufe, der sich auch auf die Psyche eines Pferdes auswirkt, umzugehen hat. Aber: Will man Tausende von Likes, dann bringt man dem Pferd halt „eben mal schnell vor dem Fotoshooting“ kurz das Steigen bei. Das hat eine Fotografin allen Ernstes so gemacht und stolz mitsamt dem Bild gepostet. Es zeigt ein haltlos steigendes Pferd auf Eis und Schnee, an dessen Hals sich irgendwie eine Reiterin klammert. Mit zunehmendem Alter und Erfahrung mit Pferden – bei mir sind es über 45 Jahre rund um den Globus mit allen möglichen Rassen und Reitkulturen – sieht man so etwas zunehmend kritisch, wenn nicht gar besorgt. Ich halte so etwas schlicht für grob fahrlässig. Selbst nach zig Begegnungen mit auf Kommando steigenden Pferden traf mich vor ein paar Jahren eines auf den Kopf. Das ist nur ein Beispiel für die vielen Situationen, in denen Pferde trotz fachgerechten Handlings von professionellen und extrem erfahrenen Pferdeleuten einfach überraschend agieren.

Steffi Schade: Ich glaube, dass wir es viel zu bequem haben. Ja, da beziehe ich meine Generation bereits mit ein, und es potenziert sich natürlich bei unseren Kindern. Wir müssen nicht mehr wirklich um viel kämpfen. Das verweichlicht. Außerdem gibt es immer weniger Regeln und Grenzen. Wie Pferde fühlen sich auch Kinder mit einem klaren Rahmen viel sicherer. Das hilft auch beim Fokussieren.

Bettina Pratt: Auf jeden Fall, die Jugendlichen sind überfordert, Elektrosmog und Druck aus den Social Media sowie Mobbing, auch im Internet, bringen sie oft zum Verzweifeln. Es gibt keine realen Freundschaften mehr, die Halt geben.

Nathalie Penquitt: Ja, das ist bestimmt so.

Ramona Westphal: Ich glaube, dass die Kids viel zu viele Infos bekommen, wenn diese täglich an die 300 Nachrichten über Facebook, Whatsapp, Instagram und Co. erhalten. Das ist für so einen jungen Menschen viel zu viel Planung und Stress und verursacht oft auch viel zu viele Sorgen!

Christin Krischke: Jeder, der sich die Zeit mit einem Smartphone vertreibt, wird an sich beobachten können, dass der Grundtonus der Anspannung, die Hektik und Ungeduld bei langsameren Prozessen steigt. Geräte, die schneller reagieren, als wir denken können, die unsere Wünsche vorhersehen und uns per Wortvervollständigung zu ständig schnellerer Wahrnehmung zwingen, erzeugen eine Art Sucht und die Illusion, das eigene Hirn sei von unbegrenzter Leistungsfähigkeit. Entspricht das Gegenüber nicht dieser Erwartung, funktioniert es nicht „smart“, verliert man schneller das Interesse. Sich erst recht für entschleunigte Prozesse zu begeistern schafft der Hektik beruhigende Gegenströme und bringt wieder mehr bewusst empfundene Zeit in den Tag. Leider ist das Bedürfnis zur Entschleunigung nur wenigen jungen Menschen zu eigen, und immer mehr Pferde spiegeln den hohen Stresspegel ihrer Sattelinsassen.

 

Was würdest du den jungen Menschen der Generation Millenia gerne mit auf den Weg geben?

Christiane Slawik: Haben sich die sogenannten Vorbilder oder Influencer, Pferdebesitzer, Reiter und Fotografen eigentlich mal darüber informiert, wie das Ganze versicherungstechnisch aussieht? Ich freue mich wirklich über ambitionierte und talentierte junge Pferdemenschen, die das Ganze ernst nehmen, sich intensiv mit ihren Vierbeinern auseinandersetzen und sich entsprechend weiterbilden. Allen „Normalos“ lege ich jedoch dringend ans Herz: Riskiert nicht für ein paar Likes euer Leben oder das eures Pferdes und gefährdet dadurch nicht auch noch Dritte. Zitat aus einem Posting: „Er stand so lieb ohne Halfter fürs Shooting, dabei war’s genau an der Autobahn.“ Behandelt ein Pferd mit Respekt und Achtung, nicht als modisches Accessoire. Sucht euch ECHTE Vorbilder. Menschen, die seit Jahrzehnten gute Arbeit mit ihren Pferden leisten. Diese sind nicht zwangsläufig täglich in den sozialen Netzwerken finden, denn dazu fehlt ihnen meist die Zeit. Die verbringen sie lieber mit den Pferden.

Steffi Schade: Pferde sind ein riesiges Geschenk an uns. Lass es zu, dass sie dich in der Wirklichkeit ankern!

Bettina Pratt: Einfach mal Handy ausschalten, mit Freunden reden, das Pferd spüren und nicht nur filmen und posten. Die schönsten Erinnerungen sind die in unserem Herzen, die man wahrhaftig mit jeder Faser gespürt hat.

Nathalie Penquitt: Das Internet hat nicht immer recht. Behaltet den gesunden Menschenverstand.

Ramona Westphal: Nehmt euch mehr Zeit für euch und eure Vierbeiner – OHNE das Handy! Nehmt das Handy wirklich nur für wichtige Dinge an den Stall mit, beispielsweise beim Ausreiten, damit ihr jemanden im Notfall benachrichtigen könnt.

Christin Krischke: Ich behaupte, es gibt ein Pferde-Gen. Seit rund sechstausend Jahren war es für Menschen von Vorteil, gut mit Pferden umgehen zu können. Warum soll sich daraus nicht eine genetische Disposition entwickelt haben? Immer wieder begegne ich Menschen, die null Pferdeerfahrung haben und bei mir zum ersten Mal ein Pferd berühren, wobei ich sofort merke, dass Pferd und Mensch eine Sprache sprechen und der Funke direkt überspringt. Anderen fehlt diese Verbindung, was ja auch nicht weiter tragisch ist in unserem Maschinenzeitalter, wenn man nicht gerade aufgrund elterlichen Drucks oder sozialer (Mitmach-)Zwänge zum Reiten geht. Die schlimmste Unart junger Menschen ist für mich die Respekt- und Distanzlosigkeit beim geschriebenen Wort in den sozialen Medien. Wenn Homo internetensis dies nicht in den Griff bekommt und es nicht in zivilisiertere Bahnen zu lenken vermag, sehe ich schwarz für die soziale Kompetenz und Gesellschaftsfähigkeit im echten Leben allgemein und im Umgang mit Pferden im Besonderen.

 

 

Interview mit Social-Media-Stars und Jungtrainern der Pferdeszene, die um die Jahrtausendwende geboren wurden

Unsere Interviewpartner

Tanja Riedinger: Social-Media-Star in der Pferdewelt, bekannt als „Native Horses“. Mehrfach erfolgreiche Teilnehmerin des „Mustang Makeover“, Teilnehmerin von „Cavallo Cup“ und „Equitana Youtube Stars live“, ist mit ihrer Stute „Estella“ auf zahlreichen Shows und Messen im In- und Ausland unterwegs. 2019 auf Tour mit Arien Aguilar und der „Next Generation“. In den Social Medias unter „Native Horses“ zu finden.

Bettina Rittler: Social-Media-Star in der Pferdewelt, zusammen mit Tanja Riedinger bekannt als „Native Horses“ und für „Native Horses“ sozusagen das mediale „Backoffice“, das maßgebend für den Erfolg des jungen Duos in Sachen Social Media mitverantwortlich ist. Seit Neuestem stolze Besitzerin von BLM-Mustang „Don“, mit dem Bettina zusammen mit Tanja und Mustangstute „Feenja“ einen mehrwöchigen Wanderritt durch Frankreich unternahm. 2019 auf Tour mit Arien Aguilar und der „Next Generation“. In den Social Medias unter „Native Horses“ zu finden.

Emilia Schlotterbeck: Social-Media-Star in der Pferdewelt, bekannt als „Dancinghorses“. Deutsche Jugendmeisterin Working Equitation 2018. Belegte 2018 als jüngste Teilnehmerin des „Mustang Makeover“ den siebten Platz. Ist dabei, sich als Pferdetrainerin selbstständig zu machen, und bietet auch Unterricht, Beritt und Kurse an. In den Social Medias unter „Dancinghorses“ zu finden und unter: www.dancinghorses.de.

 

Ein Leben ohne Internet und Handy, ist das überhaupt vorstellbar?

Tanja Riedinger: Ein Handy hat viele Vorteile: Ich kann mit vielen Leuten auf der Welt ohne großen Aufwand Kontakt halten und mich austauschen. Inhalte sind auf Facebook, Instagram und Co. schnell geteilt, und hin und wieder finde ich die ein oder andere Inspiration. Sei es beim Klavierspielen, Sport oder Reiten. Zugegeben, das Handy ist schon sehr praktisch. Trotzdem weiß ich, dass ich mich nicht immer dieser Informationsflut aussetzen möchte, deswegen schalte ich das Handy bewusst an und aus.

Bettina Rittler: Ohne das Internet wäre mein Leben sicher auch schön, aber eben ein anderes Leben. Das Internet hat mir viele Chancen ermöglicht und meinen Horizont in der Pferdearbeit erweitert. Ich habe dadurch viele tolle Menschen und wahre Freunde kennengelernt. Ich möchte diesen Austausch nicht mehr missen.

Emilia Schlotterbeck: Ein Leben ohne Internet und Handy ist schwer vorstellbar, da es heutzutage unglaublich viel Raum einnimmt. Wir sind es gewohnt, ständig erreichbar zu sein, und andere erwarten das oft auch von uns.

 

Wie viel Zeit verbringst du im Schnitt in der Woche mit deinem Pferd und wie viel Zeit mit #pferd im Internet?

Tanja Riedinger: Ich nehme mir die Zeit bei den Pferden, die ich benötige. Da lasse ich mich nicht von einem Handy einschränken. Zugegeben, die Verarbeitung der Videoclips für Youtube und das Schreiben von Texten nimmt schon viel Zeit in Anspruch.

Bettina Rittler: Ich glaube, ich verbringe ähnlich viel Zeit im Internet wie bei meinem Pferd. Allerdings sind die sozialen Medien und die daraus entstehenden Möglichkeiten ein Nebenjob für mich, wodurch ich mir mein Pferd finanzieren kann. Von daher finde ich es okay, dort Zeit reinzustecken. Mein Pferd steht für mich jedoch immer an erster Stelle.

Emilia Schlotterbeck: Ich verbringe in der Woche gut 25 Stunden mit meinen eigenen Pferden im Stall, ausgenommen sind Berittpferde und Unterrichtsstunden. Die „pferdige“ Zeit im Internet liegt so bei zehn Stunden in der Woche, mal mehr, mal weniger.

 

Auf Facebook und Youtube und Instagram sieht man gerade in Sachen Pferd immer mehr nur noch heile Welt. Perfekte Menschen mit perfekten Pferden, die perfekte Sachen machen. Ist die Realität für die Reitergeneration 2.0 zu langweilig?

Tanja Riedinger: Ich glaube nicht! Da wir Lebewesen sind und mit Lebewesen arbeiten, kann nicht immer alles perfekt sein. Beispiel: Wenn ein Marathonläufer beschreibt, wie er aus seinem „Lauftief“ herausgekommen ist, dann können sich doch die Menschen besser damit identifizieren, als wenn immer alles perfekt läuft, oder? Ich meine, dass es in der Medienwelt Mut und auch Bedacht braucht, auch die sogenannten Rückschritte zu dokumentieren, da man natürlich auch schnell in eine falsche Schublade gesteckt werden kann. Ich denke, dass es die Entwicklung ist, was die Leute fasziniert und motiviert. Diese zeigt sich nur, wenn nicht immer alles perfekt läuft.

Bettina Rittler: Leider wird im Internet sehr viel kritisiert. Ich finde das schade. Es verleitet schnell dazu, nur Bilder hochzuladen, wo wirklich alles passt. Es gehört heutzutage ein dickes Fell dazu, auch mal unperfekte Momente und Work in Progress zu veröffentlichen. Es zerreißen sich Leute den Mund darüber, ohne die Geschichte dieses Menschen und Pferdes zu kennen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass Authentizität am meisten berührt. Gerade wie ihre Vorbilder mit Rückschlägen umgehen, inspiriert die jungen Reiter. Aus diesem Grund lade ich gerne auch unperfekte Sequenzen mit Erklärung hoch, um zu zeigen, dass wir alle nur Menschen sind – und jeder auf seinem persönlichen Weg ist.

Emilia Schlotterbeck: Ich würde nicht sagen, dass die Realität für die Reitgeneration 2.0 zu langweilig ist. Im Gegenteil, es interessieren sich ganz viele für das, was hinter den Kulissen, hinter dieser scheinbar perfekten Welt, passiert. Auch stehen immer mehr Reiter zu ihren Fehlern, der Hashtag #nobodyisperfect findet immer öfter Verwendung und soll den Followern bewusst machen, dass wir alle nicht perfekt sind. Auch wenn es vielleicht auf manchen Videos oder Bildern so scheinen mag. Warum die Perfektion im Internet aber viel präsenter zu sein scheint, liegt meiner Meinung nach daran, dass viele Follower im Internet keine Hemmungen mehr haben. Und das führt dazu, dass man mit sehr beleidigenden und unsachlichen Kommentaren zu rechnen hat, wenn man zeigt, dass auch mal was schieflaufen kann. Wenn man das selber erlebt, kann man gut nachvollziehen, warum viele versuchen zu vermeiden, dass es überhaupt erst dazu kommt.

 

Trends wechseln im Netz gefühlt täglich. Heute in und morgen out. Wo siehst du bei diesem Trendhopping die Gefahr für Pferd und Mensch?

Tanja Riedinger: Keinem Trend folgen, den eigenen Trend kreieren. Dann besteht keine Gefahr.

Bettina Rittler: In den letzten Jahren ist besonders die Pro-Pferd Bewegung im Internet sehr präsent. Das finde ich gut. Gleichzeitig entsteht dadurch die Gefahr, dass Reiter/-innen für freie Bilder alles riskieren – wofür andere jahrelang trainiert haben. Wenn dann etwas nicht klappt, kommt schnell Frustration auf.

Emilia Schlotterbeck: Ich sehe bei diesem Trendhopping eigentlich eher die Gefahr für Menschen, die ihren Weg mit den Pferden noch nicht gefunden haben. Oder die sich extrem unsicher sind mit dem, was sie tun. Wenn man sich natürlich stark von dem beeinflussen lässt, was gerade in ist, vergisst man zu überdenken, ob es überhaupt Sinn macht.

 

Per aspera ad astra: Der Weg zu den Sternen ist ein steiniger. Ist die Reitergeneration 2.0 noch bereit, diesen Weg zu gehen? Oder erwarten viele eher durch die perfekte Darstellung mancher Internet-Stars, dass das alles auf Fingerschnipp oder Mausklick mit dem eigenen Pferd funktioniert?

Tanja Riedinger: Natürlich gibt es immer Leute, die sehr frustriert sind, wenn sie mit ihrem Pferd arbeiten und nicht immer alles so perfekt läuft, wie im Internet dargestellt. Ihnen fällt es dann oft schwer, sich schon über die kleinen Sachen zu freuen, die schon klappen. Dennoch ist es auch gut, Inspirationen und Ziele zu haben, die sie antreiben, den „steinigen Weg“ zu gehen.

Bettina Rittler: Ich denke, ein wirklich schönes Video von Pferdearbeit im Internet kann sowohl Frust als auch Inspiration auslösen. Klar fragen viele nach einem „Trick“, damit das Pferd auch am Halsring in einer schönen Haltung läuft. Aber es gibt keinen Trick. Hier trennt sich in gewisser Weise die Spreu vom Weizen. Diejenigen, die wirklich gut werden wollen, nehmen auch Rückschläge und Wachstum in Kauf. Das ist das Schöne an der Pferdearbeit: Für eine gute Beziehung gibt es keine Abkürzung. Das Pferd ist immer ehrlich.

Emilia Schlotterbeck: Ich bin mir sicher, dass es noch einige gibt, die bereit sind, diesen Weg zu gehen. Einerseits erlebe ich es doch auch des Öfteren, dass der ein oder andere denkt, ein Pferd auszubilden geht mal eben so. Aber andererseits lassen sich viele Follower auch inspirieren, diesen steinigen Weg zu gehen. Vor allem, wenn sie den Teams im Internet über viele Jahre hinweg folgen und sehen, wie sich Pferd und Mensch entwickeln. Mir ist es wichtig, den Leuten bewusst zu machen, dass es bei der Pferdeausbildung viel Zeit, Liebe, Geduld und Ausdauer bedarf. Und dass man sich niemals mit anderen vergleichen sollte.

 

Wie wichtig ist Optik und Inszenierung für den Erfolg im Netz?

Tanja Riedinger: Mir geht es nicht darum, ein Fashion-Blogger zu werden, sondern um transparente Pferdeausbildung, Abenteuer und den Spaß dabei zu teilen. Würde ich mich nun verstellen, dann würden das die Leute irgendwann erstens durchschauen und hätten keine Lust mehr, mir zu folgen, und zweitens würde auch ich die Motivation verlieren. Eine Lose-lose-Situation quasi.

Bettina Rittler: Ich denke, letztendlich kommt es nicht nur auf das tolle Aussehen von Pferd und Reiter an, sondern auf die Fähigkeiten des Bloggers, sein Leben und seine Erlebnisse mit dem Pferd im Internet darzustellen. Um eine große Fanbase zu sammeln, muss man Geschichten lebhaft erzählen können – oder einfach gut aussehen.

Emilia Schlotterbeck: Natürlich spielen Optik und Inszenierung eine sehr große Rolle. Denn wenn die Bilder und Videos optisch ansprechend sind, sieht man sich diese natürlich gerne an. Das ist nicht nur in der Pferdeszene so. Vor allem, da es einige Follower gibt, die sich für das Tiefgründige eines Accounts gar nicht so wirklich interessieren.

 

Denkst du, dass die Reitergeneration 2.0 genauso begeistert von ihren aktuellen Social-Media-Stars wäre, wenn diese übergewichtig sowie 20 Jahre älter wären und ihre tollen Sachen mit einem weniger spektakulären Pferd machen würden? Wie wichtig sind das Wissen und die Botschaft für diese Generation? Und wie wichtig ist die Verpackung?

Tanja Riedinger: Ich denke, du ziehst hauptsächlich immer die Leute an, die von deinen Inhalten profitieren können und die es interessiert. Die Leute, die auf die Verpackung aus sind, werden dementsprechend auch anderen Kanälen folgen. Wenn jemand Botschaften finden möchte, dann wird diese Person vom Rest absehen und das, was du machst, sehr schätzen.

Bettina Rittler: Wer wird in den Sozialen Medien überhaupt zum Star? Dazu braucht es auf jeden Fall eine Menge Durchhaltevermögen, denn so ein Erfolg kommt nicht von alleine. Die Menschen müssen die Videos erst einmal entdecken und sie dann so cool, lustig oder inspirierend finden, dass sie dranbleiben und mehr sehen wollen.

Emilia Schlotterbeck: Ich muss ehrlich sagen, dass das Aussehen keine kleine Rolle spielt. Um mich auf die vorige Frage zu beziehen: Wenn etwas optisch ansprechend ist, sieht man es sich einfach gerne an. Das macht im Internet natürlich viel aus, da die Optik am präsentesten ist, noch vor dem Inhalt. Ich finde es aber sehr schön, dass sich immer mehr Follower für das Wissen und die Botschaft der Social-Media-Stars interessieren. Vor allem auf Instagram findet ein unglaublicher Austausch statt, und die Reitgeneration 2.0 ist bereit, sich Zeit zu nehmen und längere sowie tiefgründigere Texte zu lesen und darauf zu reagieren. So spielt nicht nur das Optische eine Rolle, sondern auch das, was dahintersteckt.

 

Wenn du deine Fans und Follower live triffst und sie persönlich kennenlernst, sind die dann von dir im „real live, uncut und unplugged“ genauso begeistert wie im Netz? Oder kommt da auch mal ein blöder Spruch?

Tanja Riedinger: Ich habe bis jetzt nur sehr liebe Menschen, die unserem Kanal folgen, getroffen. Daraus sind schon sehr schöne Gespräche entstanden. Ich freue mich jedes Mal!

Bettina Rittler: Es ist jedes mal schön, die Menschen hinter den ganzen Likes und Kommentaren persönlich kennenzulernen. Es sind immer extrem nette, tolle Pferdemenschen. Die jüngeren Mädels sind manchmal etwas eingeschüchtert, und ab und zu gibt es Tränen. Wir bemühen uns sehr, allen ein gutes Gefühl zu vermitteln, und es kommen oft tolle Gespräche auf Augenhöhe zustande. Viele sind sehr interessiert und bemüht, mit ihrem Pferd weiterzukommen. Ich denke, wie die Kontakte mit den Fans ausfallen, kommt sehr auf die Zielgruppe des Bloggers an. Da wir uns um ehrliche, faire Pferdearbeit bemühen, ziehen wir natürlich Menschen an, die sich auch dafür interessieren.

Emila Schlotterbeck: Persönlich sind meine Follower immer sehr nett und herzlich, und ich habe es noch nie erlebt, dass mal ein blöder Spruch kam.

 

Der Trend scheint immer mehr in Richtung Selbstdarstellung zu gehen, auch in Sachen Pferd. Woher, denkst du, kommt der Bedarf der Millenia-Generation, um jeden Preis Anerkennung und Aufmerksamkeit im Netz zu erhalten?

Tanja Riedinger: Über das Netz ist es relativ einfach, Anerkennung zu bekommen. Bei Anerkennung wird Dopamin ausgeschüttet, sprich Glücksgefühle. Eigentlich ein ganz natürlicher Prozess. Die Frage ist nur: Was möchte ich?

Bettina Rittler: Jede Veröffentlichung im Internet über die eigene Person ist eine Art Selbstdarstellung. Nacherzählt wirkt natürlich alles noch mal toller und spektakulärer, als es in Wirklichkeit war. Wir würden auch nicht jede einzelne Sequenz aus unserem Training ins Internet stellen. Manchmal sind wir selbst am Ausprobieren, würden es aber beim nächsten Mal anders machen. Oder wir haben unsere Gründe, warum wir es so gemacht haben, aber der normale Benutzer würde es nicht verstehen. Ganz ehrlich – es gehört auch einfach nicht alles ins Internet. Ich finde es wichtig, ehrlich und authentisch zu bleiben. Aber es muss nicht jeder Sturz, jeder Tritt ins Netz. Wer weiß, was damit gemacht wird und wie es aus dem Kontext gerissen wird? Ich denke, Blogger rücken sich oft ins gute Licht, weil sie Angst vor Hate haben. Wir sind schließlich auch nur Menschen.

Emilia Schlotterbeck: Menschen strebten schon immer danach, Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erhalten. Meiner Meinung nach hat sich das in unserer Generation einfach ins Internet verlegt, da diese Plattform viel mehr Reichweite hat als die Realität. Um ehrlich zu sein, freue ich mich natürlich auch über viele Follower und nette Kommentare. Aber es bedeutet mir viel mehr, wenn jemand persönlich auf mich zugeht und mir sagt, dass er es toll findet, was ich mache. Das passiert allerdings viel seltener, da Menschen persönlich oft verschlossener und nicht so offen sind wie im Internet. Da kommen die Reaktionen, die Likes, die Kommentare viel schneller und in einem ganz anderen Ausmaß. Ich denke, das ist einer der Hauptgründe, warum heutzutage das Internet zu einer Plattform der Selbstdarstellung geworden ist.

 

Wo siehst du die größten Potenziale eurer Generation junger Pferdemenschen und wo die größten Defizite im Vergleich zu früheren Generationen?

Tanja Riedinger: Das ist schwer zu vergleichen, und ich glaube auch nicht, dass es etwas bringt, wenn ich es werte. Es ist einfach eine neue Zeit, und es gilt, das Beste daraus zu machen und die Vorteile zu nutzen.

Bettina Rittler: Ich denke, die größte Schwierigkeit heutzutage ist, sich selbst und seinem Pferd treu zu bleiben, sich nicht zu vergleichen und seinen eigenen Weg zu gehen. Das größte Potenzial ist definitiv die riesige Gemeinschaft und die unendliche Unterstützung. Wir blicken über den Tellerrand unseres örtlichen Reitvereins hinaus und können uns weltweit das herauspicken, was uns wirklich inspiriert und wo wir gerne mit unserem Pferd hinkommen möchten.

Emilia Schlottereck: Ein unglaubliches Potenzial unserer Generation liegt in der Verbreitungsmöglichkeit von Themen. Man kann mit Menschen aus der ganzen Welt kommunizieren, als würden wir uns ständig in einem Riesenstadion bewegen. Daraus ergeben sich auch ungeheure Potenziale für Geschäftstätigkeit und Erfolg. Aber auch für neue Freundschaften. Ich habe schon viele tolle Pferdemenschen über das Internet kennengelernt, mit denen ich in regelmäßigem Kontakt bin. Gleichzeitig birgt dieser große Radius auch die größte Gefahr. Jeder kann mitreden, egal ob Wissen dahintersteckt oder nicht. Informationsfetzen werden irgendwo aufgeschnappt und dann verfälscht weiter verbreitet. Man kann über andere reden, ohne ihnen dabei ins Gesicht schauen zu müssen. Diese Anonymität führt oft zu hemmungslosen Kommentaren, die für die betreffende Person sehr verletzend sein können.

 

Was möchtest du der Generation Millenia in Sachen Pferd mit auf den Weg geben?

Tanja Riedinger: Hol dir Inspirationen, mach das, was zu dir und deinem Pferd passt, mach einfach dein Ding!

Bettina Rittler: Wenn du bei deinem Pferd bist, leg das Handy weg und nimm den Druck raus. Was zählt, bist du mit deinem Pferd und eurem gemeinsamen Gefühl. Das ist so viel mehr wert als so eine kleine Kiste. Das ist Illusion, das Leben anderer Menschen. Geh zu deinem Pferd, lebe DEIN LEBEN und schreibe deine eigene, einzigartige Geschichte.

Emila Schlotterbeck: Ganz wichtig ist es, dass man sich nicht mit anderen vergleicht. Jedes Pferd und jeder Mensch sind verschieden und als Team einzigartig. Man sollte das Internet als Inspirationsquelle sehen, nicht aber als Druckmittel. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen und stets bemüht sein, die Bedürfnisse seines eigenen Pferdes zu erfüllen. Strebe nicht nach der Anerkennung anderer, strebe nach der Anerkennung deiner Pferde. Sie werden es dir danken.

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