Text: Aline Müller Foto: antje.rotpunkt – stock.adobe.com
Schulterherein, Travers und Co. haben nicht nur einen hohen gymnastizierenden Wert, sie können auch eingesetzt werden, um einzelne Lektionen zu erarbeiten oder zu verbessern. Wie Sie die Seitengänge am besten nutzen und was dabei zu beachten ist, erklärt Nicole Künzel.
Die Ausbildung eines Reitpferdes ist eine spannende und umfangreiche Aufgabe, wobei der Reiter nicht nur ein entsprechendes Feingefühl mitbringen muss, sondern auch bereit sein sollte, seine Methoden ständig zu überprüfen und zu hinterfragen. Jeder kennt die Momente, in denen der Trainingserfolg zu stagnieren scheint. Momente oder Phasen, in denen man zur Basis zurückkehrt, um das Pferd nicht zu überfordern, oder solche, in denen neue Wege gefunden werden müssen, um sich aus festgefahrenen (Denk-)Mustern zu befreien. Abwechslung und eine kreative Gestaltung des Trainings helfen, die Motivation bei Reiter und Pferd zu erhalten, Problemen vorzubeugen oder diese zu lösen. Eine Möglichkeit, Langeweile vorzubeugen, dem Pferd neue Wege aufzuzeigen und Lektionen zu verbessern oder zu festigen, ist der gezielte und durchdachte Einsatz von Seitengängen. Doch damit das Seitwärts auch einen positiven Effekt hat und bestehende Problematiken nicht verschlimmert oder gar neue erzeugt, sind gewisse Grundvoraussetzungen nötig.
Basis muss stimmen
Korrekt gerittene Seitengänge haben einen hohen gymnastizierenden Wert. Sie fördern sowohl die Geschicklichkeit als auch die Beweglichkeit und kräftigen das Pferd. „Über die Seitengänge kann die Geraderichtung verbessert und der Versammlungsgrad immer weiter erhöht werden“, sagt Nicole Künzel, die einen Ausbildungsstall in Hannover leitet. „Die Ausrichtung der Vor- und Hinterhand aufeinander verfeinert sich zunehmend und in korrekter Ausführung kann der Reiter schließlich die Position jedes Hufes bestimmen.“ Doch unsere Expertin gibt zu bedenken, dass Schulterherein, Travers und Co. nicht als Allheilmittel gesehen werden dürften. „Ich erlebe immer wieder, dass Seitengänge zu früh eingesetzt werden, zum Beispiel bei Pferden, die in sich noch instabil sind“, gibt die Ausbilderin zu bedenken und erklärt: „Ein Pferd muss zunächst lernen, sich taktmäßig und losgelassen zu bewegen.“ Dabei sei es wichtig, dass das Pferd bei einer konstanten, leichten Anlehnung sein Gleichgewicht finde. „Ich kann jedem Reiter nur dazu raten, besser nicht zu früh mit einer Ausrichtung oder Bearbeitung des Pferdes durch die Seitengänge zu beginnen“, so Nicole Künzel. „Fühlen Sie, ob Ihr Pferd bereit ist, eine reelle Dehnungsbereitschaft zu zeigen und Hufschlagfiguren sauber auszuführen.“ Seitengänge gehören zu den versammelnden Lektionen, sie machen nur dann Sinn, wenn das Pferd den Anforderungen gerecht werden kann. Dazu ist es wichtig, sie zuvor entsprechend behutsam zu erarbeiten. Doch selbst dann gilt es, dass in einzelnen Trainingseinheiten immer wieder die Basis gefestigt werden muss.
Ausbildung mit System
„Mit der Arbeit an Stellung und Biegung kann begonnen werden, wenn die erwähnten Ziele der Stabilität geschaffen sind“, sagt Nicole Künzel und erklärt weiter: „Als Voraussetzung dafür müssen Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und Schwung sowohl auf großen als auch auf gebogenen Linien, innerhalb und zwischen den Gangarten gegeben sein. Bei einer korrekten Stellung im Genick fußt der äußere Hinterhuf in die Spur des äußeren Vorderhufs, der innere jedoch Richtung Schwerpunkt, also etwas seitlich nach innen versetzt neben der Spur des inneren Vorderbeins.“ Da die Stellung Einfluss auf die gesamte Ausrichtung der Wirbelsäule nimmt, ist sie Grundvoraussetzung für die korrekte Biegung. In dieser beugt sich das Pferd bereits zunehmend in den Hanken. „Diese beginnende Hankenbeugung ist wiederum Grundvoraussetzung für die Versammlung und für die Seitengänge, welche den versammelnden Effekt noch verstärken“, betont unsere Expertin und gibt dazu ein Beispiel: „Ist ein Pferd korrekt nach rechts gestellt und gebogen, so senkt sich der innere Hüfthöcker der Biegung entsprechend nach vorne unten. Für die Biegung und somit auch für die Versammlung ist eine korrekte Rumpfrotation unabdingbar.“ Folgt man dieser Erläuterung, dann wird klar, dass ohne reelle Stellung und Biegung keine Versammlung und somit auch keine korrekten versammelnden Seitengänge möglich sind.
…den ganzen Artikel – inklusive toller Übungen und Tipps – lesen Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 3/19.