Reitlehre übersetzt
Zeigt her eure Beißerchen
Samstag, 6.30 Uhr, und der Wecker klingelt – zunächst denke ich, dass dies nur ein Versehen sein kann, doch dann fällt mir der Grund des nervigen Geräusches wieder ein: der Pferdedentalpraktiker oder auch einfach Pferdezahnarzt kommt zum Stall, und ich muss mich beeilen. Grund des Termins, und des schrecklich frühen Aufstehens, ist eigentlich mein vierjähriger Wallach. Kürzlich beobachtete ich ihn auf der Wiese, wie er nicht aufhörte zu kauen und dabei ein komisches Gesicht zu ziehen. Ich dachte zunächst, er hätte in seinem Übermut mal wieder einen „Happen“ der Decke seines Kumpels genommen und wäre jetzt mit einem lästigen Faden zurückgeblieben. Als ich sein Maul öffnete, sprang mir ein waagerecht stehender Schneidezahn direkt ins Auge. Dieser schien nur noch an einem Hautfetzen zu hängen und störte den kleinen Mann anscheinend gewaltig, sodass ich ihn kurz entschlossen entfernte. Wie niedlich, dachte ich zunächst noch, da der Zahn wirklich sehr klein und sofort ersichtlich ein Milchzahn war. Doch bei näherem Hinsehen war es dann gar nicht mehr so niedlich: Der Zahn sah komisch abgebrochen aus. Am Samstag um 9 Uhr war mein Pferd dann sediert in seiner Box, und die Behandlung begann. Alle Backen- und Schneidezähne wurden genau überprüft und hier und dort ein bisschen geraspelt. Keine Milchkappe musste entfernt werden, und auch sonst war alles ganz wunderbar, so der Spezialist. Erleichtert, dass sich meine Sorgen nicht bestätigt hatten, kam als nächstes meine Stute dran, die immer im Rhythmus von einem Jahr behandelt wird und bei der ich mir sicher war, dass nichts auffälliges zu sehen sein würde. Ein kleiner Pikser, und schon wanderte auch sie ins Reich der Träume, und wir konnten in ihr Maul schauen. Das erste, was ich von dem Zahnarzt hörte, war „Oho“, was mich sehr irritierte. Was soll denn dort Besonderes zu sehen sein? Im Umgang und beim Reiten war uns nichts aufgefallen. „Hier ist aber einiges zu tun“, so der Tierarzt. „Sie hat sehr viele spitze Haken auf den Zähnen, und die Schneidezähne müssen wir auch kürzen. Gut, dass wir sie jetzt behandeln“, wurde ich aufgeklärt. Ich konnte es nicht glauben, denn schließlich wurde bei ihr doch regelmäßig kontrolliert und geraspelt. Doch das Entstehen von scharfen Kanten an den Backenzähnen und zu langen Schneidezähnen ist eine Zivilisationserscheinung. Das Futter unserer Pferde besteht aus ausgesuchten Pflanzen mit begrenzter Artenvielfalt. Ein freilaufendes Pferd würde viel mehr Äste, Zweige und Blätter fressen. Das würde zu mehr und ausgedehnterem Abrieb der Zähne führen. Was man tun kann, damit der Abrieb zumindest so gut wie möglich ist? Viel Raufutter geben, viel Weidegang und ein Knabberholz anbieten. Und natürlich: Regelmäßige Kontrolle der Zähne, denn die Probleme, die mit schlechten Zähnen einhergehen, sind erheblich für das Pferd und auch für die Rittigkeit. Lassen Sie Ihrem Vierbeiner also viel häufiger mal ins Maul gucken, allerspätestens aber ein Mal im Jahr.
Viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe!
Lara Wassermann
Leitende Redakteurin Mein Pferd
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