Text: Julia Schay-Beneke | Foto: Daniel Elke
Schwierige Zeiten für Stellmacher: In Deutschland werden praktisch keine Kutschen mehr gebaut. Hans-Willi und Birgit Schophoven aus Simmerath in der Eifel haben ihr Geschäft dem veränderten Markt angepasst: Sie verkaufen alte und neue Kutschen, bieten Fahrabzeichen an und richten Turniere aus.
Der grüne Landauer mit den Ledersitzen glänzt noch immer wie im 19. Jahrhundert. Seine Holzräder sehen aus wie neu; der riesige alte Reisekoffer, der hinten auf dem Wagen befestigt ist, ist unversehrt. Ob sich darin noch Hüte oder raschelnde Kleider befinden? Vermutlich nicht. Die Fantasie läuft trotzdem auf Hochtouren, als Hans-Willi Schophoven erzählt, dass dieser Wagen 1880 von Peters & Sons in London gebaut wurde – jener Manufaktur, mit der seit eh und je der englische Adel unterwegs ist und deren Kutschen in der Sammlung der Queen stehen. Der dicke Nebel und das verschlafene Dorf draußen tun ihr Übriges: Wundern würde man sich jetzt weniger, wenn einem diese Kutsche draußen auf dem Weg zu ihrem Landsitz entgegenkäme.
Reise in die Vergangenheit
Tatsächlich befinden wir uns in der Lagerhalle von Fahrsport Schophoven in Simmerath in der Eifel, direkt an der belgischen Grenze. Hier hat das Ehepaar Hans-Willi und Birgit Schophoven seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. In dem Geschäft stehen, dicht nebeneinander auf zwei Etagen, wahre Schätze: 80 alte und neue Kutschen aus ganz Europa. Wer sich ein bisschen Zeit nimmt und zwischen den historischen Modellen herumwandert, kann in Ruhe die aufwändigen und wertvollen Details bestaunen – die Geschichten dazu liefern Hans-Willi und Birgit Schophoven gleich mit. So erfahren wir, dass alle alten Kutschen aus dem Zeitraum 1860 bis 1910 stammen. „Zu Kriegszeiten gab es lange nichts mehr“, erzählt Birgit Schophoven. „Es wurde viel kaputtgeschlagen und das Holz verbrannt. Die Leute mussten ja heizen. Die Ölmuttern der Räder wurden eingeschmolzen und zu Munition verarbeitet.“ Früher stand auf den Ölmuttern der Name des Herstellers – heute weiß so manchmal keiner mehr, woher die Räder einer alten Kutsche eigentlich kommen. Die Exemplare aus dem 19. Jahrhundert wurden praktisch ausnahmslos von reicheren Häusern genutzt. So steht auf der Empore zum Beispiel eine winzige Kinderkutsche, wie sie gut betuchte Familien für den Nachwuchs herstellen ließen. Mit Ponys oder sogar Ziegen konnte dieser dann in den Park ausfahren. „Hier in der Eifel gab es solche Nobelkutschen aber nicht“, betont Birgit Schophoven. „Diese Region war arm, und die Menschen fuhren sonntags mit dem Landwirtschaftswagen zur Kirche.“
Stellmacher gibt es hier nicht mehr
Der Markt für alte Kutschen ist speziell, und nur davon könnten die beiden ihr Geschäft nicht halten – obwohl diese mit vier- bis sechsstelligen Preisen den Besitzer wechseln. Über Mundpropaganda kommen sie an die alten Stücke; gerade erst hat ein Kunde seine Sammlung mit 20 Exemplaren aufgelöst. Diese werden aufgearbeitet und gehen im Anschluss wieder an Sammler oder Traditionsfahrer. Kleinere Arbeiten – vor allem an den Bremsen – kann Hans-Willi Schophoven in seiner Werkstatt selber durchführen. Auch Holzteile lässt er beim Schreiner vor Ort machen. Alles andere geht nach Polen. „Es gibt in Deutschland keine Hersteller mehr“, erklärt er. Diese Entwicklung hat in den 80er Jahren eingesetzt und ist seitdem nicht mehr aufzuhalten. „In Deutschland haben wir immense Auflagen. Das lohnt sich bei so geringer Stückzahl einfach nicht.“ Der Autobau hat letztendlich hierzulande alles geschluckt. Das Handwerk sterbe generell aus, meint er, und für den Beruf des Stellmachers bzw. Kutschenbauers gebe es hierzulande einfach keinen Bedarf mehr. „Man kann es sicher noch lernen, aber vermutlich allerhöchstens in einem Freilichtmuseum unterkommen.“
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