Text: Karin Tillisch Foto: Getty Images/Cultura Exclusive, slawik.com
Karin Tillisch befragte 10 erfolgreiche „Pferdeleute“ aus den unterschiedlichsten Bereichen der Pferdewelt zum Thema Social Media :
1. Mike Geitner: Erfinder der Dualaktivierung und Equikinetic, mehrfacher Bestseller-Autor (selbstständig seit 1999)
2. Andrea Jänisch: Bestseller-Autorin, Gangpferdeexpertin, Trainerin Klassische Reitweise
3. Babette Teschen: Bestseller-Autorin, entwickelte eine bahnbrechende Methode des Longierens (selbstständig seit 1996)
4. Christiane Slawik: eine der erfolgreichsten und bekanntesten Pferdefotografinnen weltweit (selbstständig seit ca. 30 Jahren)
5. Christin Krischke: mit ihrem Mann Wolfgang Begründerin der „Tjoster“ und der Fürstlichen Hofreitschule Bückenburg, Bestseller-Autorin, Expertin der alten Reitkünste (selbstständig seit 1989)
6. Markus Eschbach: Bestseller-Autor, Dipl.-Sozialpädagoge, Dipl.-Reitlehrer, Experte für alternatives, gebissloses Reiten, betreibt in der Schweiz mit seiner Frau Andrea ein sehr erfolgreiches Kurszentrum (selbstständig seit 1998)
7. Uschka Wolf: Trainerin A Westernreiten, World Open Champion Freestyle Reining, mehrfache Landesmeisterin EWU, staatlich anerkannte Erzieherin , Lehrerin für experientielles Reiten & Ausbilderin für Reittherapeuten DFG (selbstständig seit 1997)
8. Native Horse: Tanja Riediger und Bettina Ritt, Youtube- & Facebook-Superstars mit ihrer Stute Estella, Teilnehmer des Mustang Makeover Germany (nicht selbstständig, nur „Hobby“)
9. Ilsabe Stülpnagel: Betreibt eine alternative Reitschule und Wanderreitstation für Pferdefreunde jedes Alters, den Pegasus Hof, auf dem konsequent seit 15 Jahren gebisslos und sattellos geritten wird (selbstständig seit ca. 15 Jahren)
10. Norbert Rier: Superstar der Volksmusikszene, erfolgreicher Züchter von Haflinger-Pferden (selbstständig in Sachen Pferdezucht seit 1987)
Was war die größte Veränderung für Ihr Geschäft, als Sie selbst in den Social Media aktiv wurden?
Mike Geitner: Schleichend mehr Popularität. Ich habe über 100 Fachartikel auf meine Facebook Seite gestellt, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Andrea Jänisch: Ich kann meine Kunden sehr schnell und direkt erreichen. Die Veränderung liegt allerdings auch im Anstieg der Unverbindlichkeit – und der Steigerung der Arbeitszeit an Handy oder PC.
Babette Teschen: Durch die viel größere Reichweite erreichte ich viel mehr Interessenten. Meine Praxiskurse und unsere Onlineangebote konnten viel erfolgreicher beworben werden.
Christiane Slawik: Es gibt ständig Anfragen, aber wenig wirklich Professionelles/Seriöses. Sicher gibt es viel Interessantes zu entdecken, aber es kostet unverhältnismäßig viel Zeit und Nerven, die Flut von Belanglosigkeiten und Emotionen zu filtern.
Christin Krischke: Ich glaube, wir hätten ohne Social Media bei Weitem nicht die Bekanntheit. Einrichtungen wie unsere, die sich eine angemessene Werbung (siehe Apassionata) nicht leisten können, aber ein erstklassiges Produkt und zufriedene Kunden erzeugen, profitieren enorm von der Mund-zu-Mund-Propaganda im Netz.
Markus Eschbach: Ich habe weniger Zeit für meine Pferde.
Uschka Wolf: Bessere Erreichbarkeit und ein Zuwachs meines Bekanntheitsgrades.
Native Horse: Als wir angefangen haben, unsere Abenteuer auf den Social Media zu teilen, wurden die Menschen auf unsere Arbeit aufmerksam, und die Nachfrage ist extrem gestiegen.
Ilsabe Stülpnagel: Das Interesse an meiner Methode, des Umganges mit Pferden hat sich sehr vergrößert. Umgekehrt entdecke auch ich immer wieder interessante Pferdetrainer/-innen.
Norbert Rier: Ich habe viel mehr unverbindliche Anfragen, aber dabei kommt leider nicht so viel dabei heraus wie bei den persönlichen Gesprächen früher.
Worin sehen Sie den größten Vorteil der Social Media?
Mike Geitner: Es ist ein super Marketing für wenig Geld. Ich kann Fachwissen der breiten Masse zugänglich machen. Man erreicht viele Menschen, die sich für ein Thema interessieren.
Andrea Jänisch: Ich kann mich unkompliziert selbst vermarkten.
Babette Teschen: Die große Reichweite und Werbewirkung und die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren.
Christiane Slawik: Die schnelle, unkomplizierte Vernetzung über Kontinente hinweg und die Möglichkeit, tolle Kontakte zu knüpfen und zu halten.
Christin Krischke: Entfernungen verlieren ihre Bedeutung, die Menschen begegnen einander auf Augenhöhe. Bildung wird für alle und jeden verfügbar. Man ist nie allein mit einem Problem.
Markus Eschbach: Durch Videos oder Fotoserien kann ich ganz einfach ein „Gefühl“ vermitteln und meine Arbeitsweise so gut als möglich erklären.
Uschka Wolf: Kostengünstige und breite Werbung.
Native Horse: Gerade positive Strömungen wie der Pro-Pferd-Gedanke können sich durch die sozialen Medien weitläufig verteilen und besonders junge Menschen nachhaltig beeinflussen.
Ilsabe Stülpnagel: Die Medien sind sehr hilfreich, um die neue Arbeit des schmerzfreien Umgangs mit den Pferden zu verbreiten.
Norbert Rier: Ich kann mich selbst besser über Themen der Pferdewelt informieren, die mich interessieren. Auf meiner Homepage und auf Facebook habe ich die Möglichkeit, meine Pferde informativ und umfassend zu präsentieren.
Und worin sehen Sie den größten Nachteil bzw. die größte Gefahr?
Mike Geitner: Halbwissende Ratschläge, durch die Menschen stark verunsichert werden. Meinungen werden beeinflusst, Hater warten anscheinend nur auf eine Chance, Karrieren zu zerstören.
Andrea Jänisch: Alles kann aus der Anonymität kommentiert werden, Shitstorms werden ohne Detail- und Hintergrundwissen entfacht . Grundlegende Höflichkeit muss wegen der Anonymität nicht beachtet werden Das ethische Gefüge kommt durcheinander.
Babette Teschen: Die Sucht! Das Leben vor dem Rechner zu verbringen und in der virtuellen Welt zu leben.
Christiane Slawik: Genau wie in der Politik lässt sich echte Qualität nur schwer von sich geschickt vermarktenden Schaumschlägern unterscheiden, die teilweise genauso hemmungs- wie verantwortungslos agieren. Jeder kann und weiß alles. Und das auch noch besser. Keiner kann das noch durchschauen. Mehr Schein als Sein, überzogene Selbstdarstellung (überprüft wird es ja selten) sowie weltfremde, immer extremere Ansichten: Das ist der Trend. Ich vermisse einen ehrlichen, fundierten Austausch. Und alle bezahlen dafür mit ihren Daten.
Christin Krischke: Die tendenziöse Meinungsmache Einzelner verblendet Leichtgläubige und radikalisiert Weltverbesserer. Diese werden dann zu einer echten Plage, besonders, wenn sie geballt auftreten. Aber auch ein einziger Troll, sei es ein Sadist oder ein Orientierungsloser, kann einen Shitstorm lostreten.
Markus Eschbach: Heute kann sich jeder als Möchtegern-Pferdetrainer und Besserwisser aufspielen. Für den User ist es oft schwierig zu sehen, ob es sich um einen Hochstapler oder einen Pferdefachmann handelt, der eine Facebook-Seite betreibt.
Uschka Wolf: Die größte Gefahr sehe ich im Rufmord durch selbst ernannte Experten.
Native Horse: Auf den Bildern und Videos im Internet ist häufig das Ergebnis jahrelanger Arbeit zu sehen. Wird das ohne entsprechende Vorbereitung einfach nachgemacht, kann es zu gefährlichen Situationen kommen.
Ilsabe Stülpnagel: Ich habe mit den Medien bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Norbert Rier: Es wird allzu schnell, ohne darüber nachzudenken, etwas gepostet oder kommentiert, was manch einem hinterher vielleicht sogar leid tut, weil er damit jemandem geschadet oder diesen verletzt hat. Es wäre besser, die Leute würden wieder direkt miteinander reden und mal eine Nacht darüber schlafen, ehe sie etwas posten oder kommentieren.
Eine kleine Checkliste zum Erkennen emotionaler Manipulation im Internet
Die sozialen Netzwerke und das Internet bieten uns eine Fülle an freien Informationen, die uns helfen kann, wirklich zu gebildeten, einfühlsamen und fairen Pferdemenschen zu werden. Wir müssen nur unseren gesunden Menschenverstand wiederfinden und es schaffen, echte Information von manipulativen, emotionalen Verkaufs- und Marketingtricks zu unterscheiden. Ich stelle Ihnen hier meine kleine persönliche Checkliste zur Verfügung, mit der ich es persönlich schaffe, auf Facebook, Youtube und Co. klarzukommen, ohne allzu oft in die Manipulationsfalle zu tappen. Wenn ich einen Post lese, dann stelle ich mir – BEVOR ich in irgendeiner Form darauf reagiere (also like, teile, einen Kommentar schreibe) – diese Fragen:
1. Betrifft mich das überhaupt direkt?
2. Betrifft es jemanden in meinem Umfeld in einer Art und Weise, in der es ethisch richtig wäre, die entsprechende Person darüber zu informieren?
3. Würde sich an meinem Leben und dem meiner Pferde wirklich etwas POSITIV verändern, wenn ich mich an dieser Diskussion nun beteilige oder dieses Produkt kaufe?
4. Was bleibt als Kernaussage übrig, wenn ich alle emotionalen Wörter aus dem Text rausstreiche?
5. Ist das, was ich hier lese, eine Meinung oder eine Information? Wenn es nur eine Meinung ist: interessiert mich wirklich die Meinung einer anderen Person und hilft sie mir wirklich dabei selbst eine Meinung zu finden?
6. Brauche ich zu diesem Thema eigentlich eine Meinung?
7. Kann die Person, die diesen Post erstellt hat, in irgendeiner Form einen persönlichen, karrieretechnischen oder finanziellen Nutzen aus dieser Behauptung auf Kosten anderer ziehen?
8. Welchen Antrieb hat die Person, die diesen Post/Kommentar erstellt hat, wohl gehabt ?
9. Würde ich dieses Foto oder Video auch noch genauso toll finden, wenn die gezeigte Person 20 kg Übergewicht hätte/20 Jahre älter wäre/keine schicken Klamotten anhätte? Wenn das Pferd kein edles Rassepferd, sondern ein unscheinbarer, strubbeliger Querbeet-Mix wäre? Wenn das Video nicht geschnitten und vertont wäre?
10. Will ich wirklich meine kostbare Freizeit hier in der digitalen Scheinwelt mit diesem Thema vertrödeln – oder doch lieber was im „Real Life“ mit meinen Pferden machen?
Bevor ich selbst etwas poste oder kommentiere, lege ich mir aber auch folgende kleine Checkliste zurecht:
1. Würde ich das, was ich jetzt sage, der betreffenden Person auch vor Zeugen direkt ins Gesicht sagen?
2.Würde ich die Meinung/Aussage, die ich hier kundtue, auch auf einer Veranstaltung vor mehreren Tausend Leuten sagen und dazu stehen?
3. Bin ich gerade in die „Emotionsfalle“ getappt und will deshalb etwas kommentieren?
4. Hab ich wirklich genug fundierte Ahnung und Erfahrung zu dem entsprechenden Thema, um hierzu einen fachlichen Kommentar abzugeben oder einen entsprechenden Post zu machen?
5. Welchen POSITIVEN Effekt kann ich durch das Posten meiner persönlichen Meinung zu einem Thema wirklich erzielen?
6. Kann sich durch diesen Post oder Kommentar tatsächlich mein Leben und das anderer POSITIV verändern?