Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt      Foto: Getty Images

In Deutschland wächst die Zahl der Pferdebegeisterten von Jahr zu Jahr. Jedoch ist die Anschaffung eines eigenen Pferdes mit hohen Ausgaben verbunden. Der Durchschnittspreis für ein Sportpferd liegt derzeit zwischen 5.000 und 20.000 €. Kein Wunder, dass der Kauf daher sehr überlegt sein muss. Das zum Kauf interessante Pferd sollte selbstverständlich so gesund wie möglich sein. Um nicht die berühmte „Katze im Sack“ zu kaufen, sollte jeder Pferdekäufer das Pferd tierärztlich durchchecken lassen. Aber auch ein Pferdeverkäufer erlangt durch einen tierärztlichen Bericht über den Gesundheitszustand des verkauften Pferdes Sicherheit. An ihn aufgrund behaupteter Krankheiten des verkauften Pferdes unrechtmäßig gestellte Forderungen können später besser abgewehrt werden.

AKU muss sein

Eine aktuelle tierärztliche Untersuchung des Pferdes darf daher vor dem Kauf nicht fehlen: die sogenannte Ankaufsuntersuchung (AKU). Heute gehört sie daher zum Standard vor jedem Pferdekauf. Ein Tierarzt prüft dabei die Gesundheit des Pferdes entweder durch eine einfache klinische Untersuchung (kleine AKU) oder durch weiterführende Untersuchungen (große AKU). Die häufigste weiterführende Untersuchung ist die röntgenologische Untersuchung, woraufhin das Pferd bisher in eine schulnotenartige Röntgenklasse (1–4) eingeteilt wurde. Die Untersuchungsergebnisse können als Bestandteil mit in den Kaufvertrag aufgenommen werden. Ergibt sich später, dass die vom Tierarzt festgestellten Ergebnisse falsch waren, stehen dem Auftraggeber Schadensersatzansprüche zu. In der Vergangenheit kam es oft zu einer Überbewertung des Röntgenbefundes gegenüber der klinischen Untersuchung des Pferdes. Aus diesen Gründen ist die medizinische Beurteilung häufig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, da die Bewertung der Röntgenbilder unter Tierärzten unterschiedlich ausfallen kann.

Das BGH-Urteil

Der BGH urteilte 2016, dass auch bei einem teuren Dressurpferd ein Abweichen von der physiologischen Norm noch kein Sachmangel darstellt, der den Käufer des Pferdes zum Rücktritt berechtigt. Biologische Abweichungen vom Idealzustand seien bei Lebewesen nicht ungewöhnlich. Solange diese Abweichung keine klinischen Auswirkungen hat, bestehe kein Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag, so der BGH. Der Käufer hätte allenfalls extra vereinbaren können, dass eine Abweichung von der Idealform nicht vorliegen darf. Im Röntgenbefund wurde bei dem verkauften Pferd eine physiologische Abweichung am rechten Facettengelenk des Pferdes festgestellt. Das gekauft Pferd zeigte zudem auch eine Lahmheit. Der gerichtliche Sachverständige hat indes zwischen Röntgenbefund des Gelenks und klinischen Auswirkungen, der Lahmheit des Pferdes, keinen Zusammenhang feststellen können und dies zudem auch für unwahrscheinlich gehalten. Um auch in einem solchen Fall mehr Klarheit und Transparenz zu schaffen, wurden die bisherigen Röntgenklassen nun mit Beginn dieses Jahres von der Gesellschaft für Pferdemedizin e. V. (GPM) abgeschafft und durch eine detaillierte Beschreibung von Risikobefunden ersetzt.

Der neue Röntgen­leitfaden dient Tierärzten als Interpretationshilfe für die röntgenologische ­Beurteilung der Gesundheit eines Pferdes. „Die Röntgenklassen wurden abgeschafft, abweichende Befunde sollen nun vom Tierarzt beschrieben werden. Wir unterscheiden dabei genau zwischen ­Befunden, bei denen beispielsweise das ­Risiko einer späteren Lahmheit nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann und solchen, die tatsächlich mit einem Lahmheitsrisiko ­behaftet sind“, erklärt Prof. Dr. Karsten ­Feige, Vorsitzender des Ausschusses für Pferde der Bundestierärztekammer (BTK) und Präsident der GPM. Risikobehaftete Röntgenbefunde sollen künftig mit dem Stichwort „Risiko“, Aufnahmen, die keine Abweichungen aufweisen, mit „o.b.B.“ (ohne besonderen Befund) gekennzeichnet werden. Der neue Röntgenleitfaden 2018 umfasst nunmehr 18 Standard-Aufnahmen und damit vier Aufnahmen mehr als bisher. Beispielsweise wird in Zukunft die Aufnahme „vordere Zehe seitlich“ auf zwei Bilder aufgeteilt. Dies ermöglicht eine bessere Beurteilbarkeit der drei relevanten Gelenke. Bilder des Rückens eines Pferdes entfallen, da die Beurteilbarkeit schon immer problematisch waren. Je nach Winkel der Aufnahme kann eine leicht veränderte Position des Röntgengeräts aus einem vermeintlich „gesunden“ Rücken schnell ­einen Fall von schwerwiegenden Kissing Spines machen. Sollte indes das Pferd schon bei der klinischen Untersuchung Probleme mit dem Rücken zeigen, sollten weitere Untersuchungen und damit Röntgenbilder ­vorgenommen werden. Verkäufer und Käufer können und sollten im Einzelfall von der im Leitfaden empfohlenen Anzahl der Röntgenaufnahmen aber auch abweichen und mehr oder ­weniger Röntgenbilder anfertigen lassen. Ohne besondere Vereinbarung greift grundsätzlich der neue Standard des ­Röntgen­leitfadens 2018. Während bisher die Bilder dem Auftraggeber auf CD übergeben wurden, sollen sie zukünftig darüber hinaus in ein modernes App-Format überführt werden.

Der BTK-Ausschuss für Pferde sieht in der Abschaffung der Röntgenklassen einen ­absoluten Gewinn. „Besonders begrüßenswert ist die damit einhergehende höhere Bewertung der klinischen Untersuchung. Die gängige Praxis, Pferde mit einer Röntgenklasse über II abzuqualifizieren, obwohl nach tierärztlicher Gesamtbeurteilung dafür kein Grund besteht, wird damit beendet“, lobt der Ausschussvorsitzende Feige.

Die wichtigsten Verbesserungen im Überblick:

• Die bisher beschriebenen Röntgenklassen werden abgeschafft und durch eine detaillierte Beschreibung mit Kennzeichnung von Risiko-Befunden ersetzt.

• Der Standardumfang der Röntgenuntersuchung wird im Sinne einer besseren Aussagekraft auf 18 Röntgenaufnahmen erhöht.

• Nach Absprache mit dem Auftraggeber ist eine Erweiterung bzw. Reduzierung der Aufnahmen möglich.

• Der Leitfaden kommt nur bei lahmfreien, warmblütigen Reitpferden ab dem Alter von drei Jahren zur Anwendung. Er darf nicht im Rahmen der Diagnostik bei Lahmheitsuntersuchungen verwendet werden und nicht zum Zwecke der Zuchtauswahl.

 

Unser Experte

Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de

 

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