Text: Julia Schay-Beneke | Foto: Daniel Elke
Woche für Woche fährt Gregor Kryk, Leiter des Erlebnishofes Panuba, zu verschiedenen Heimen für Demenzkranke. Im Kofferraum und Hänger seines Autos hat er speziell ausgebildete Tiere, die Betroffenen für einige Stunden Entspannung und Zuneigung geben und mit ihnen längst vergessene schöne Erinnerungen für kurze Zeit zurückholen. Beim Ortsbesuch in Düren sind dabei: Pony Leica, Hund Bella, die drei Kaninchen Socke, Flocke und Ninchen sowie Huhn Cleopatra.
Leica steht ganz still und geduldig. Um sie herum sitzen ältere Menschen im Stuhlkreis, auf Stühlen oder Rollstühlen. Manche haben ein Kaninchen oder Huhn auf dem Schoß, manche schauen zu, manche sind sehr aufgeregt. Um sie herum springt Bella, ein Australian Shepherd, und holt sich mal hier, mal da eine Streicheleinheit ab. Aber Leica, ein 29 Jahre altes Shetland-Pony, bleibt bei Herrn Mund. Er hält sie am Führstrick, krault ihre Mähne und weicht nicht von ihrer Seite. „Ich bin ein Mensch, der ein Tier so lässt, wie es ist“, erzählt er selbstbewusst. „Ich brauche mich nicht anzustrengen, ich bin einfach gut zu Tieren.“ Ihm fällt ein, dass er früher auch einen Hund hatte, und lächelt versonnen.
Tiere fördern das Selbstbewusstsein
Herr Mund ist einer der Bewohner der Wohnanlage „Am Holzbendenpark“ in Düren. In dem Heim leben Senioren und Behinderte in mehreren Wohngruppen. Viele Patienten sind demenzkrank – so wie Herr Mund. Für sie gibt es verschiedene Angebote, die ihre Sinne ansprechen und die Kommunikation mit dem Personal und den Angehörigen fördern sollen. Sie können malen, singen, musizieren oder Gesellschaftsspiele spielen. Ein weiteres Angebot hat Gregor Kryk entwickelt. Der 42-Jährige ist gelernter Altenpfleger und Pflegewissenschaftler. Um die Tiere in seine Arbeit einzubeziehen, entwickelte er vor zehn Jahren das Konzept Panuba. Dazu kam ein Erlebnishof in Wegberg, einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen an der Grenze zu Holland. Der Hof ist ein Familienbetrieb – Ehefrau, Kinder, Schwiegermutter packen mit an. Hier gibt es insgesamt 40 Tiere: vier Ponys, eine Trakehner-Stute, zwei Kaltblüter, Kaninchen, Schweine, Katzen, Hunde und Hühner. Alle Tiere leben artgerecht draußen, alle Tiere werden hier für die Arbeit mit Kindern sowie Menschen mit Behinderungen oder Demenz ausgebildet.
Die tiergestützte Intervention bei Demenzkranken stellte von Anfang an einen der Schwerpunkte von Panuba dar. Gregor Kryk lernte die Arbeit mit Tieren von der Pike auf: Er studierte die Körpersprache, besuchte Seminare, arbeitete mit Tierheilpraktikern und Verhaltenstherapeuten zusammen. „Aber für uns war von Anfang an wichtig: Tiere müssen Tiere bleiben. Ab einem gewissen Punkt hören wir mit der Ausbildung auf, damit der Instinkt beibehalten wird.“ Regelmäßig packt er ein paar seiner Tiere ein und fährt mit ihnen in Altersheime. Heute ist er, wie alle drei Monate, in der Wohnanlage in Düren im Einsatz. Diesmal hat er Leica, die Australien-Shepherd-Hündin Bella, die drei Kaninchen Socke, Flocke und Ninchen sowie Huhn Cleopatra, einen Deutschen Sperber, dabei.
Mit sechs Tieren im Aufzug
Leica ist ein erfahrenes Pony, das sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt – nicht einmal beim Gang durch die Caféteria oder der Fahrt im Aufzug in den Wohnbereich. Aber nächstes Jahr steht ein Generationenwechsel an. „Es wird Zeit für die Rente“, erzählt Gregor Kryk. „Das viele Hin- und Herfahren wird zu anstrengend für sie und muss nicht mehr sein.“ Manchmal hat er auch andere Tiere dabei, zum Beispiel Zwergschweine. „Schweine sind perfekt, weil sie – überspitzt gesagt – treudoof sind. Wenn sie satt sind, legen sie sich auf die Seite und lassen sich kraulen.“
Das Feedback ist positiv; alle Parteien – Demenzkranke, Angehörige und Pfleger – profitieren davon. „Die Patienten bekommen die Möglichkeit, aus ihrer Biographie erzählen zu können“, erklärt Gregor Kryk. „Die Pfleger finden Themen, über die sie sich mit den Bewohnern unterhalten können. Und die Angehörigen erkennen, dass die Demenz zwar da ist, die Erinnerungen an früher aber auch.“ Die Berührung eines Tieres schafft manchmal das im Alltag fast Unmögliche: Die Patienten erinnern sich an vergangene Zeiten – wenn auch nur für den Moment. „Viele haben den Krieg miterlebt und schlimme Dinge, die damit verbunden waren. Mit Tieren jedoch verknüpft eigentlich jeder etwas Positives. Wenn sie dann hier mit Tieren in Kontakt kommen, kommen diese positiven Erinnerungen zurück.“
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